Interview

Laura Marling: Für ein bisschen Unterhaltung in Zeiten der Corona-Krise


Die Britin Laura Marling zog die Veröffentlichung ihres siebten Albums spontan vor. SONG FOR OUR DAUGHTER ist am Freitag, den 10. April, erschienen. Damit möchte sie ihren Beitrag zur aktuellen Krise leisten. Mit ihrem sensiblen und virtuosen Songwriting gelingt ihr das ziemlich gut. 

Als Laura Marling mit 17 Jahren die Bühnen dieser Welt betritt, wird sie allerorts als Nu-Folk-Sensation gefeiert. Dieses Jahr wurde sie 30 Jahre alt und hat es geschafft, sich mit jedem ihrer sieben Alben weiterzuentwickeln. Natürlich markiert ihre neue Platte SONG FOR OUR DAUGHTER hierbei einmal mehr einen Höhepunkt. Fast ausnahmslos saß Marling dieses mal selbst an den Reglern, garniert eingängige Popnummern mit satten Klängen, arrangiert Chöre, Streicher und ihre eigene glasklare Stimme zu großen Hymnen und vertonten Momentaufnahmen. Ihre Lyrics beweisen ihren klugen Blick auf die Welt und beschäftigen sich weiterhin mit dem Frausein – genau wie das Vorgängeralbum SEMPER FEMINA. Eine Gespräch über neue Weisheiten, natürlichen Narzissmus und Gitarrentutorials.

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Du hast die Veröffentlichung deines siebten Studioalbums vom August dieses Jahres auf den 10. April vorgezogen. Grund ist die aktuelle Lage der Welt: Der Corona-Virus hat den Alltag lahmgelegt und schürt Sorgen und Angst. Du sagst selbst, dass du keinen Sinn darin gesehen hast, etwas zurückzuhalten, was „zumindest unterhaltsam sein und im besten Fall ein gewisses Gefühl der Einheit vermitteln könnte.“ Welche Verantwortung spürst du als Künstlerin für die Gesellschaft?

Laura Marling: Puh – du fängst direkt mit den Grundsatzfragen an (lacht). Ich habe gar nicht so übergeordnete Gedanken gehabt. Es hat sich so ergeben. Ich habe mich auch nie dazu hingezogen gefühlt, mich groß an Social Media zu beteiligen. Aber in dieser dramatischen Zeit hat sich dieses Gefühl aufgelöst und ich dachte, ich könnte etwas tun. Und wenn ich nur für ein bisschen Unterhaltung und Beschäftigung sorge. Also habe ich angefangen Gitarrentutorials auf Instagram zu geben. Vor wenigen Tagen kamen wir dann auf mein Album zu sprechen, das erst im August erscheinen sollte. Und wir haben einfach entschieden, dass es gut sein könnte, es quasi an die Welt zu übergeben.

Laura Marling :: Song For Our Daughter

Social Media soll eine gewisse Nähe zum Star kreieren. Etwas, was dir anscheinend nie so richtig gefallen hat. In einem Interview vor knapp zehn Jahren sagtest du, dass du dir wünschst, jemand hätte dir geraten, nicht unter deinem eigenen Namen Musik zu veröffentlichen. In der Produktionsphase zu diesem Album hast du kurz darüber nachgedacht, dich komplett von deinem Namen zu lösen und dir einen neuen zu geben. Brauchst du Distanz? Oder die Freiheit, ohne Vorgeschichte – die ja immerhin seit deinem 17. Lebensjahr erzählt wird – Musik zu machen?

Vermutlich beides ein bisschen. Hauptsächlich geht es aber darum, wie persönlich oder nah an mir selbst meine Musik ist und auch von meinen Hörer*innen rezipiert wird. Ich bin zum Beispiel wirklich glücklich darüber, mein anderes Bandprojekt Lump zu haben. Ich habe dadurch komplett neu gelernt, mich dem Schreiben und Musikmachen zu nähern. Dahinter verschwinde ich komplett. Das war eine ganz neue Erfahrung und ein komplett neuer musikalischer Raum, den das für mich geöffnet hat, auch dank meines Bandpartners Mike Lindsay. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken.

Was half dir noch?

Es war sehr hilfreich älter zu werden. Darüber hinaus habe ich mich in den letzten Jahren sehr viel mit Psychologie und Psychoanalyse beschäftigt. Das hat alles sehr geholfen, eine ganz eindeutige Linie zwischen mir als privater Person und mir als Persona zu ziehen.

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Wie äußert sich das auf deinem neuen Album?

Ganz einfach darin, dass ich mehr über Beobachtungen schreibe. Natürlich geht es immer auch um meine eigenen Erfahrungen und mich, aber längst nicht so sehr wie früher. Ich glaube aber, das ist ganz normal. Wenn man sehr jung ist, hat man diesen völlig ehrlichen Narzissmus. Man kreist viel um sich selbst. Diese Perspektive ändert sich aber irgendwann und man schaut mehr um sich.

Ist dein neues Album also als organische Weiterentwicklung von SEMPER FEMINA zu verstehen? Darauf hast du dich sehr mit deiner eigenen Weiblichkeit auseinandergesetzt. Jetzt geht es eher darum, dass du deiner fiktiven Tochter erklären möchtest, was es heißt als Frau durch diese Gesellschaft zu gehen.

Ja, absolut. Ich habe SEMPER FEMINA geschrieben, als ich 25 Jahre alt war. Seither hat es in meinem Leben grundsätzliche Einschnitte gegeben. Ich bin etwa aus Amerika wieder nach London gezogen. Ich bin jetzt in einer langfristigen Beziehung, lebe sehr nah an meiner Familie und habe ein ziemlich normales Leben. Das hat natürlich auch viel verändert. Eben auch, dass ich mich weit weniger mit mir selbst beschäftige und andere Kontexte sehe. Was es aber bedeutet, eine Frau zu sein und als solche durch unsere Gesellschaft zu gehen, hat mich schon immer interessiert. Jetzt, mit 30 Jahren, habe ich auch viel mehr Erfahrung – und das mag ich. Ich finde es richtig gut, nun auch als weise Person wahrgenommen zu werden (lacht).

„Es ist nicht immer stark, Dinge zu akzeptieren.“

Der Song „Strange Girl” erinnert durch seinen auffordernden Sound sehr an deine frühen Sachen. Inhaltlich kommt er einer Kampfansage gleich. Als Frau ließe er sich wie ein Schutzschild vor sich tragen.

Finde ich gut, wenn er das auslöst. Er ist eine liebenswürdige Kritik an meinen Freundinnen und mich selbst. Es geht um eine gewisse Art mit sich umzugehen, Dinge wie schlechte Bezahlung, den falschen Partner oder einen blöden Job immer wieder hinzunehmen. Es ist nicht immer stark, Dinge zu akzeptieren.

Laura Marling hat am 10. April überraschend eine neue Platte herausgebracht.

Auf deinem Album sprichst du aber auch viele Unsicherheiten an und versuchst immer das zu filtern, was am Ende wirklich wichtig ist. Die Corona-Krise soll nicht romantisiert werden, aber sie ist ja durchaus eine Zeit, in der man geradezu dazu gezwungen wird, sich mit der Essenz des eigenen Lebens auseinanderzusetzen.

Ja, ganz genau. Nun, drei Wochen nachdem es hier in Europa so richtig losging, hat sich der erste Schock gelegt. Es herrscht fast wieder eine eigenartige Art von Routine. Es ist wirklich schrecklich, was dieser Virus anrichtet und was gerade passiert. Hier in England haben wir auch ein paar ganz dunkle Momente erlebt und es gibt so viele Menschen, die sehr leiden. Ich habe aber realisiert, dass ich ein ziemlich einfaches Leben leben könnte. Man merkt sofort, um was es wirklich geht: um unsere Liebsten um uns herum. Um unsere Eltern, Freunde, unsere Familie und darum, dass es ihnen allen gut geht. Die Menschen zählen. Diese schöne Erkenntnis spendet Hoffnung und Liebe.

Laura Marlings neues Album SONG FOR OUR DAUGHTER ist am 10. April erschienen.

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Gus Stewart Redferns