Lenny Kravitz


Ein Hauch von Magie liegt über den Hamburger Stadtpark-Konzerten. Immerhin wendet sich das stürmische Wetter auch an diesem Tag noch zum Guten. Ob so viel himmlischen Einsehens betritt Lenny Kravitz. inzwischen zum veritabelen Star avanciert, denn auch sichtlich selbstbewußt die Open-Air-Bühnc und grüßt huldvoll unter seiner gigantischen Ballonmütze ins Publikum — das ihm von der ersten Sekunde an zu Füßen liegt. Doch das betont coole Auftreten von Kravitz täuscht. Innerhalb kürzester Zeit kommen der versierte Rock ’n‘ Soul-Musikologe aus Manhattan und seine personell hervorragend ausgestattete Band auf volle Touren.

Kravitz‘ traditionsund stilbewußte Fusion-Musik eigener Prägung, die auf seinen bisher erschienenen LPs LET LOVE RULE und MAMA SAID immer ein wenig nach oberschlauer Erben-Generation klingt, entfacht live jenes Feuer, das alle Lobeshymnen souverän rechtfertigt. Die Ehrlichkeit und Authentizität, die Kravitz für sich beansprucht, spricht aus jedem Ton seiner Musik.

In seinen fast ausschließlich im mittleren Tempo angesiedelten Songs entwickelt er knisternde Spannung und solistische Eruptionen, ohne dabei auch nur eine Sekunde lang in billige Effekthascherei zu verfallen. Kravitz huldigt zwar großen Vorbildern, und zwar von Jimi Hendrix bis hin zu Curtis Mayfield. seine Songs sind aber nie Revival. sondern höchstens Reverenz — alles taufrisch.

Der dominanten Persönlichkeit von Lenny Kravitz zum Trotz ist seine Musik kein hochfliegender Solo-Trip eines hemmungslosen Egomanen, sondern paradoxerweise das genaue Gegenteil: ein elektrisierender gruppendynamischer Prozeß, in dem jedes Bandmitglied reichlieh Raum zur musikalischen Entfaltung findet. Und so dauert es eine ganze Weile, bis sich der Meister selbst zu einem siedendheißen Solo an der Gitarre aufschwingt. Wer seine Mittel so dosiert einsetzt, weiß genau, was er will — und kann.

An Kravitz‘ enormem Charisma.

sowohl als Bandleader wie auch als Solo-Performer, kann es nach diesem Gig nun wirklich keinen Zweifel mehr geben. Der Mann ist schlicht und ergreifend brillant. Dabei hat seine musikalische Potenz, die genauso aus dem Kopf kommt wie aus dem Bauch, ihre natürlichen Grenzen noch längst nicht erreicht.

Wer derart unverkrampft und voller Spielfreude zwischen derbem Rock und filigranem akustischen Blues pendelt, hat mit Sicherheit eine Option auf die Zukunft.