Leonard – Die Gläser hoch – wir trinken auf den Alten


Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt bitte ihr Glas heben wollen. Trinken wir auf Leonhard Cohen, den großen Poeten und Troubadour aus Montreal, der mit seinen 53 Jahren immer nicht älter, sondern allenfalls reifer und bekömmlicher wird.

Fragen wir Suzanne Vega, die Cohen als ihren musikalischen Ziehvater bezeichnet. Fragen wir Jennifer Warnes, die letztes Jahr ein ganzes Album seiner Songs veröffentlichte. Fragen wir auch Nick Cave oder Coil. die beide Cohens „Avalanche“ und „Who By Fire“ coverten. Oder fragen wir die Gruppe Fairport Convention, auf deren gerade erschienener LP HEYDAY Cohens zeitloses „Suzanne“ mit Sicherheit der Höhepunkt ist. Und fragen wir die Sisters Of Mercy, die sich nach dem Titel eines alten Cohen-Songes benannten. Cohens Einfluß – wenigstens zur Zeit – hat erstaunliche Breitenwirkung. Popstars, die immer noch zehn Jahre jünger sind als er, machen sich mit ihrem „Alter“ schon leicht lächerlich, aber Cohens Songs, mit ihrer dicken Schale aus Ironie und Selbstkritik, geht es immer noch bestens, danke der Nachfrage. Ihrem Autor übrigens auch, nochmals danke.

„Tja, ich habe halt nichts zu verbergen“.

nuschelt er mit seiner dunklen, vollen und hypnotischen Stimme. „Ich werde deshalb auch für nichts auf der Well jetzt noch damit anfangen, mein Gesicht zu liften oder meine Haare zu färben. Schließlich besitze ich die Fähigkeit, die

ganze Lächerlichkeit dieser Branche in meinen Songs zum Ausdruck zu bringen. Es hat nämlich definitiv etwas Obszönes an sich, ständig mit Gitarre und Koffer in der Hand von einer Stadt zur nächsten zu ziehen – und das in meinem Aller! Aber… entweder du machst weiter – oder du machst es nicht. Beide Entscheidungen bergen ihre Gefahren.“

Cohen, der feudig der Meinung seiner schärfsten Kritiker zustimmt, daß das. was er macht, „nicht einmal Musik“ genannt werden kann („Ich weiß nicht, wie ich es nennen würde, aber ein sehr musikalischer Typ bin ich nicht“), ist zwar erstaunt, aber durchaus glücklich darüber, daß er wieder ins Rampenlicht zurückgestolpert ist.

„Ich hätte nie gedacht, daß ich mal ein aller Hase in dem Geschäft sein würde. Nie! Daß junge Bands sich nach meinen Songs benennen, hätte ich auch nie erwartet. Immerhin war mein Name bei den Plattenfirmen lange Zeit ein echter Witz.“

Er habe erwartet, daß seine Karriere irgendwie im Sande verlaufen würde, meint er. Deshalb stellte er sich bereits darauf ein, seine letzten Jahre „in der Einsamkeit“ zu verbringen.

Stattdessen spielte er kürzlich einen kleinen Gauner in „Miami Vice“ und veröffentlichte die LP I’M YOUR MAN, seine beste seit dem 74er Album NEW SKIN FOR THE OLD CEREMONY.

Auf dem Cover seines neuen Werkes ist ein Schnappschuß des Poeten in klassischer Schelmen-Pose: Cohen fuchtelt bedrohlich mit einer halb aufgegessenen Banane. „Das ist die Banane, die einfach zu jeder Heldentat gehört“, erklärt er. „Mit einem Titel wie I’M YOUR MAN konnte ich doch wohl schlecht ein Porträt von mir verwenden, das einen dann mit verträumten Augen vom Plattenständer aus anglotzt…“