Kolumne

#NazisRaus, Turbostaat, Aufräum-TV: Was Ihr in dieser Popwoche nicht verpasst haben dürft


Linus Volkmann präsentiert in seiner neuen Popkolumne die High- und Lowlights der Woche. Welche Künstler, welche Songs, welche Serien lohnen sich – und was war sonst noch so los? Hier Folge 2. Mit Marie Kondo, #NazisRaus, Turbostaat und Finch Asozial.

LOGBUCH 2019, KALENDERWOCHE 2

Ich war krank, ich hatte Schnupfen. Was soll ich sagen, es war die Hölle, Freunde! Danke allen, die ein Teelicht am Dom für mich aufgestellt haben. Mittlerweile geht es wieder. Jetzt trinke ich Wick Medinait wieder bloß aus Bock.

SERIE DER WOCHE: „Aufräumen mit Marie Kondo“

Wie hieß der Scheiß auf RTL2 früher, wo Leuten beim Aufräumen geholfen wurde? Wo man sich auch als verwahrloster Zuschauer besser fühlen konnte, denn ganz so schlimm wie bei den Aufgesuchten sah es bei einem selbst ja nun doch nicht aus? Dieses Prinzip dramatisierte der Sender allerdings schnell. Eine Art Hartz4-ploitation entstand. Hilfsbedürftigen wurde geholfen, sie wurden ausgeschlachtet im Tele-Zoo. Zum Schluss überlebte davon nur „Frauentausch“. Dort wird auch immer viel geputzt beziehungsweise darüber geredet.

Kollegah-Fans weinen Sturm, „Bandersnatch“ & Mainstream-Memes: Was Ihr in dieser Popwoche nicht verpasst haben dürft

Die Neuzeit-Reprise vom Rumwühlen in anderer Leute Chaos bringt uns nun Netflix. Dementsprechend geht es beim Besuch der Bestseller-Autorin Marie Kondo auch weniger asozial und distanzlos zu. Aufräumen macht Spaß, braucht Struktur und ist – dazu muss man nicht Feng-Shui studiert haben – ein Schlüssel zum Glück.

Doch der reine Akt des Aufräumens ist nicht wirklich telegen, so schippt das Format bis zum Kitschinfarkt auch noch tränensusige Storys in die zugemüllten Wohnungen. Da hat die leicht bizarr wirkende Super-Elfe Marie Kondo einiges zu tun. Dass ihre Serie keine Grenzen zwischen Selbstoptimierungsterror, TV-Schnulze und inspirierendem Frühjahrsputz zieht, nervt immer wieder. Irgendwann ist es das eine Mal zu viel und man steigt aus, bevor man alle Folgen sorgfältig abheften konnte.

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ALBUM DER WOCHE: Turbostaat – „Nachtbrot“

Ein Live-Album veröffentlichen hat immer etwas von dem Spannungsfeld zwischen Unermüdlichkeit und Fade-Out. Machtwort, Abendrot, Nachtbrot. Der Titel „Nachtbrot“ fügt sich gut in die bandeigene Sprachästhetik. Eine, die Turbostaat auch nach 20 Dienstjahren noch von all ihren unzähligen Epigonen unterscheidet, die sie musikalisch teilweise längst eingeholt haben. Die kantig und widerborstig anmutende konkrete Poesie aus der Feder von Gitarrist Marten Ebsen bleibt aber immer noch im Felde unbesiegt.

Ins Feld führt nun diese Doppel-LP mit 60-seitigem Fotobuch. Aufgenommen wurde vergangenes Jahr in Leipzig, „Produzenten-Legende“ (5 Euro ins Phrasenschwein oder 20 Stockschläge für solche Lingu) Moses Schneider zog das Material noch mal durch sein Pult. Was soll man sagen? Niemand braucht ein Live-Album. Aber gut, was braucht man schon wirklich. Und diese kraftvolle Werkschau der gut gealterten Schleswiger Pin-Up-Boys würde man sich schon gern in seinen eigenen Angeber-Plattenschrank stellen. Ich kann mich nicht entscheiden: Ist diese in Eigenregie erschaffene Reliquie nun Plattensammlerwichse oder geil? Die realistische Einschätzung dazu lautet wohl: beides.

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DIE ETWAS ANDERE MEINUNG: New York gedenkt der AfD Bremen

Diese Woche wurde der Vorsitzende der Bremer AfD Frank Magnitz tätlich angegriffen. Auch ohne gesicherte Beweise, welches Motiv dahinter steckte, kochte in Deutschland die Diskussion zwischen Rechts und Links, zwischen Wutmenschen und Gutbürgern mal wieder hoch. Die Kommentarspalten in den Sozialen Medien wurden erneut zum eigentlichen Schlachtfeld.

Erstaunlich homogen machte sich der Fall allerdings aus, wenn man den Kontinent verließ. Die renommierte „New York Times“ berichtete ebenfalls – und erntete auf Facebook dazu hundertfach gelikete Kommentare wie hier im Bild zu sehen.

Kommentare von Facebook-Seite der „New York Times“

Auf Twitter trendete #nazisraus derweil aus anderen Gründen.

GUILTY PLEASURE DER WOCHE: Finch Asozial

Ein popkulturelles Phänomen dazu einladen, dass es auf deinem Gesicht sitzen möge – und zwar für die nächsten Stunden. Ganz normal heute. YouTube macht’s möglich und Autoplay sorgt dafür, dass es kein natürliches Ende mehr gibt. Seien es Katzenclips, Walkthroughs von Gameboy-Spielen, Schminktutorials oder, wie in meinem Fall, Videos der Battle-Rap-Bundesliga.

Zwei Männer, die sich mehr oder weniger in Reimen und mehr oder wenig eloquent über 45 Minuten anpöbeln. Das N-Wort fällt hierbei nicht, aber das ist auch schon das einzige Zugeständnis an die zivilisierte Welt. Die originellen Beschimpfungen und verheerenden Abwertungen werden zum Glück schnell zu einer Art Lava-Lampe. Ja, ich habe durch diesen (gespielten) Hass oft meine Mitte gefunden.

Und in dieser Battle-Szene wurde ich aufmerksam auf einen großen Ostler mit Vokuhila, Wanst und Schnauzbart. Witziger als die meisten – und die Tabubrüche in seiner Sprache kann man sich selbst noch darüber verkaufen, dass jener Finch Asozial so eine sichtbar comichafte Kunstfigur darstellt. Halt bisschen wie „Family Guy“ gucken.

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Mittlerweile hat Finch Asozial die Battle-Bühnen hinter sich gelassen und schickt sich an, eine Art „ernsthafter“ Albumkünstler zu werden. Das Ganze besitzt bereits einen ziemlichen Hype – und ist eine offensive Mischung aus Die Atzen, Eurodance und „Go Trabbi Go!“.

Das debile wie clever zusammengepuzzelte Vorabstück zur im März erscheinenden Platte heißt „Abfahrt“. Nach nicht mal vier Wochen auf YouTube, zählt es bereits drei Millionen Views. Wer einst „Drei Tage wach“ gefeiert hat und sich überdies in emotional sehr gefestigtem Zustand befindet, kann ja mal reinhören. Meine persönliche Empfehlung habt Ihr, ab 2 Promille jedenfalls. Vor einem ordentlichen Gericht würde ich das allerdings leugnen.

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DER VERHASSTE KLASSIKER: Red Hot Chili Peppers

Red Hot Chili Peppers
„Blood Sugar Sex Magik“
Warner / VÖ 24.09.1991
Sympathie für den Underdog, ja klar! Denn warum sollte in einer Band nicht auch mal die arme Sau mit dem komplett nutzlosen Instrument Bass im Mittelpunkt stehen? Wohin das allerdings führen kann, beweist mahnend dieser überschätzte wie mega-nervige Meilenstein des virilen Gymnasiasten-Funks aus Los Angeles.

Natürlich mag es irgendwie witzig anmuten, wenn ein Hund auf einem Dreirad fährt – aber das heißt doch noch lange nicht, dass ihm damit auch die Straße gehört! „Blood Sugar Sex Magik“ ist die zappelige Oben-Ohne-Saison für schlechte Mucker, die dauernd all ihr Können zeigen müssen. In einer Opposition zum Understatement stressen hier 17 ADHS-Titel an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Der „Hit“ „Under The Bridge“ beweist dabei zudem: Dieser Sound taugt auch bei kitschigen Balladen überhaupt nichts. Einzig den Alterstest besteht das Album locker: Denn auch 2019 haben die Stücke nichts eingebüßt. Sie sind immer noch so unerträglich wie vor 28 Jahren!

https://www.youtube.com/watch?time_continue=31&v=i46vNV9RraE

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