Living Colour, New York, The Ritz


Ich beneide niemanden, der mit dieser Band ins Studio muß: Wie. einerseits, das ungeheure Energieaufkommen disziplinierenAanalisieren ohne, andererseits, die Essenz des Living Colour-Sounds dabei zu verraten?

Doch dies hier ist die Bühne, das eigentliche, bestens erprobte und doch immer wieder neue Lebenselixier des Quartetts, das mit seiner Mixtur aus Metal und Rock’n’Roll weltweit für Furore gesorgt hat. Da können die Vier munter mit Grenzen spielen — mit ihren eigenen, mit denen des Publikums, und manchmal auch: Spiel ohne Grenzen. Nicht nur Gitarrist Vernon Reid beansprucht dann, zwischen Blues, Metal und Coltrane’scher Harmolodics-Schule, solistischen Freiraum; auch Drummer William Calhoun übt munter den freien Fall über seiner Becken/Trommel-Burg, und mitunter lassen sich alle wie von Sinnen treiben, bis sie ein mehr oder weniger geheimes Zeichen auf den Pfad kompakter Disziplin zurückführt. Da angelangt, sind Living Colour mit „Cult Of Personality“, „Desperate People“ oder „1 Wanna Know“ so gut, so präsent, so mitreißend druckvoll wie eine Rock’n’Roll/Metal-Band nur sein kann. Und dies hier ist zudem ein Heimspiel. Bei Publikumslieblingen wie „Glamour Boys“, das im Vergleich zur schwachbrüstigen Jagger-Produktion deutlich an Kontur gewinnt, bebt der Boden im Ritz beinahe schon furchterregend, und Sänger Corey Glover wagt sich in Kobold-Manier ein wenig zu weit über den Bühnenrand hinaus — bis er schließlich ganz von derselben gezerrt wird. Als „Which Way To America?“ den regulären Set beschließt, haben sie fast die ganze LP durchgespielt — höchste Zeit also, um in der Zugabe ein bißchen mit der Repertoire-Grenze zu spielen. Nach einem kurzen Blues-Intro erweisen Living Colour mit „Should I Stay Or Should I Go“ den Clash ihre Referenz. Und dann ertönt die langersehnte Parole: „Wlmt’syour favorite color, baby?“ fragt Corey — „Living Colour!“ tönt es aus hunderten von Kehlen zurück. Nein, Soul Asylum hab ich an diesem Tag auch nicht gerade beneidet — die mußten nach dieser Schlacht nämlich noch auf die Bühne. Als das wackere Minneapolis-Quartett dann schließlich startete, hatte sich der Laden denn auch schon zur Hälfte geleert.