Manic Street Preachers: Allen Trennungsgerüchten zum Trotz präsentieren sich die drei Waliser lebendiger denn je.


Ein« laue Sommerbrise spielt träge mit drei Federboas, lila, rosa und mintgrün. Sie schmücken traditionell den Mikroständer von Manics-Bassist Nicky Wire – und die Hälse einiger unermüdlicher Fans, die sich selbst von hochsommerlichen Temperaturen jenseits der 30 Grad nicht davon abhalten lassen, ungebrochene Solidarität zu demonstrieren.

Das 15. Bizarre Festival im niederrheinischen Weeze – ein idyllischer Landstrich, geprägt von Hightech-Treibhäusern, grünen Wiesen und glücklichen Kühen – ist im vollen Gange, und 40.000 Besucher warten auf die Manic Street Preachers. Die drei Waliser sind musikalisch immer noch eine unumstrittene Größe und neben Bands wie The Prodigy, Stone Temple Pilots und den Ärzten ein definitives „must see“ an diesem langen Festivalwochenende des Alternative Rock. Auch wenn das Trio inzwischen seinen exzentrischen Klamotten, Glitzerkleidchen und Kopftüchern zugunsten von schnieker Designerwear abgeschworen hat.

Während auf der Hauptbühne Feeder und JJ72 noch stilvoll vor sich hinlärmen, sitzen James Dean Bradfield, Nicky Wire und Sean Moore im V.I.P.Bereich, räkeln sich auf urigen Gartenbänken, schlürfen eklig-gelbe Energy-Drinks, blinzeln in die Sonne und geben Interviews. Die Stimmung ist locker und gelöst, man fühlt sich beinahe wie auf einer netten Grillparty unter Freunden. Doch dann kommt plötzlich Hektik auf, die Bandmitglieder müssen sich noch umziehen und – im Fall von Nicky Wire schminken. Schließlich sollen bereits eine halbe Stunde später die ersten Akkorde von „Found That Soul“ aus den turmhohen Boxen dröhnen.

Das tun sie denn auch. Und wie. Selten hat James‘ Gitarre so rotzig-rau geklungen. Seine Stimme schneidet derart glasklar durch die Songs, dass man sich wundern muss, wieso die unzähligen Bierchen, die sich der 32-Jährige bekanntlich gerne in den „local pubs“ genehmigt, hier noch keinen Niederschlag gefunden haben. MSP-Hymnen wie „Motorcycle Emptyness“, „You Love Us“, „Design For Life“, „If You Tolerate This, Your Children Will Be Next“ und „Motown Junk“ (inklusive knackigem Van Halen-„Jump“-Intro) werden ebenso frenetisch gefeiert wie Tracks vom neuen Album „Know Your Enemy“, das mit „Ocean Spray“, „So Why So Sad“, „Let Robeson Sing“ und eben dem furiosen Konzert-Opener „Found That Soul“ angemessen vertreten ist.

Und sollte et tatsächlich Unkenrufe geben, die besagen, die Manics hätten auf ihre alten Tage das Rocken verlernt, so werden sie an diesem schönen Spätsommerabend von den Jungs ad absurdum geführt: Weil seine Gitarre nicht so will wie er, schmeißt James Bradfield das gute Stück mit den Worten „It’s a bad luck guitar, destroy that fucking piece of shit“ kurzerhand in die tobende Menge. Dieser Aufforderung hätte es gar nicht bedurft. In Sekundenschnelle reißen Dutzende von Händen das Instrument in Stücke.

Und was macht The Wire? Nach anfänglicher Lethargie löst der charismatische Bassist seinen schwarz-umlidschatteten Blick aus dem himmelwärtigen Off, grinst, nestelt unbeholfen an seiner „Disco Queen„-Anstecknadel, dreht Pirouetten und wirft die ellenlangen Beine in die Luft. Jetzt fehlt nur noch der „Wattsville Blues“, das einzige von Nicky Wire gesungene Stück auf dem neuen Album und seine persönliche Abrechnung mit der britischen Journaille, die ihm sein Rockstar-untypisches Couch-Potato-Dasein mit Frau, Hund und drei Staubsaugern (einer fürs Erdgeschoss, einer für den ersten Stock und einer zur Reserve) angekreidet hatte.

Doch alles Warten ist vergeblich. Zumindest für heute haben die Manics beschlossen,nicht zum akustischen Rundumschlag anzusetzen. Aber das letzte Wort in dieser Hinsicht ist noch nicht gesprochen. Oder etwa doch? Beim Carling-Festival, das eine Woche später im englischen Leeds stattfindet, brodelt plötzlich die Gerüchteküche. Dies sei der letzte Manics-Gig, wird behauptet. „Kompletter Unsinn“, kommt sofort die Entwarnung von Seiten der Plattenfirma. Die Konzerte der Hallen-Tournee finden wie geplant statt, beruhigt ein Sprecher des Labels. Alles wird gut.

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