Bestenliste & Jahresrückblick

ME-Jahresrückblick 2020: Die 50 besten Alben des Jahres

Der Jahreswechsel naht und damit wird es mal wieder Zeit, die besten Alben zu küren. Welche 50 Platten uns 2020 besonders begeistert haben, seht Ihr hier.

03. PHOEBE BRIDGERS – PUNISHER

Dead Oceans /Cargo (VÖ: 19.6.)

Vielleicht ist es ja so: PUNISHER ist deshalb so ein großes Album, weil sich Phoebe Bridgers nach dem von der Popkritik und einer, realistisch betrachtet, begrenzten Hörerschaft wohl angenommenen Debüt STRANGER IN THE ALPS nicht alleinig auf die Herstellung eines Nachfolgers kaprizierte. Stattdessen arbeitete sie zunächst ausgiebig mit Kolleg*innen, genauer: mit Julien Baker und Lucy Dacus nahm sie unter dem Namen Boygenius eine EP auf, gemeinsam mit Conor Oberst fungierte sie als Better Oblivion Community Center. Das verleiht PUNISHER – nein, keine Routine. Wohl aber ein Selbstbewusstsein, das auch Brüche erlaubt, dass das Album zwischen verwaschen-rauschhaften Soundscapes und markigem Indie-Rock pendeln lässt, ohne dass das irgendwie stört.

Im Gegenteil, im musikalisch angenehm unentschlossenen Bereich entsteht eine Stimmung, die ziemlich gegenwärtig ist, die geschickt die verschiedensten Themenkomplexe unserer Zeit auffängt. Es geht im Titelstück natürlich nur vordergründig um Drogen („when the speed kicks in“), sondern vielmehr um die Obsession Bridgers’ gegenüber dem 2003 verstorbenen Songwriter Elliott Smith. Es geht im „Moon Song“ natürlich nur vordergründig um Eric Clapton („We hate ‚Tears In Heaven‘, but it’s sad that his baby died“), sondern eigentlich um die Macht der Zuneigung, das Wörtchen „We“ ist der Schlüssel. Trotzdem sind all diese Schilderungen von einer Unmittelbarkeit, die ihren Höhepunkt in dem vorab ausgekoppelten „Kyoto“ findet: „You called me from a payphone. They still have payphones“, heißt es da, und das ist nah dran an den Reisegewohnheiten der Gegenwart, an diesem ins Flugzeug steigen und irgendwo ausgespuckt zu werden, wo die Dinge sehr ähnlich, aber dann doch anders sind.

Man kann all das durchaus als Generationenplatte begreifen, vielleicht auch als Gegenentwurf zu den großen Wirkprinzipien aktueller Popmusik. Da steckt weder das Artifizielle drin, das wir bei Lana Del Rey hören, noch das Drama, das schon in der Stimme von Angel Olsen angelegt ist, das Selbstbewusstsein einer Beyoncé fehlt auch. Stattdessen feiert dieses Album den Zweifel, singt ein Hohelied auf die Ambivalenzen und hält gegen Ende auch noch gleich einige der schönsten Musikmomente des Jahres bereit, verpackt in einen Song: „When I get back I’ll lay around, and I’ll get up and lay back down“, heißt es da, bevor Bridgers vom Schaukeln singt, das hier, schon wieder, als Sinnbild für etwas ganz anderes steht. Und am Ende feiert sie gemeinsam mit Conor Oberst, Nick Zinner, Julien Baker, Lucy Dacus und all den anderen den Weltuntergang. Jochen Overbeck

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

COPYCAT KILLER: Phoebe Bridgers kündigt neue EP an