Mehr Macht für die Basis!


Wie sieht's aus bei Tomte? Mit dem neuen Album Heureka ändert sich einiges bei den Berliner Hamburgern. Das Personalkarussell dreht sich,und mit "Sir" Simon Frontzek ist ein Fan ins Line-up berufen worden.

Thees Uhlmann ist ein geselliger Mensch. Einer, der gut Freund mit jedem sein kann, wenn dieser jeder auch gut Freund mit ihm ist. Das ist vielleicht ein psychologisches Ding. Geliebt werden um jeden Preis, was wiederum etwas mit Selbstvertrauen zu tun hat, oder eher dem Mangel daran. Auf jeden Fall hat der Sänger von Tomte einen großen Freundeskreis. Er unterscheidet zwischen „Buddys“ und Freunden. Wahrscheinlich hat er mehr „Buddys“ als Freunde und wahrscheinlich meint er, er hat einen großen Buddykreis. Das geht aber wahrscheinlich jedem so.

Für seine Fans ist Uhlmann „einer von ihnen“. Man sieht ihn nach Tomte-Konzerten mit der Bierflasche in der Hand durch die sich leerende Halle gehen. Oder am Merchandise-Stand, wie er mit seinen Fans abhängt, redet und Bier trinkt. Und Handynummern austauscht, weil er vielleicht gerade einen neuen Buddy gewonnen hat. Unter den Buddys und Freunden Uhlmanns sind auch ein paar Journalisten. Und das wird für manche Leute zum Problem. Vor allem für solche Journalisten, die nicht zu Uhlmanns Buddys und Freunden zählen, die finden das überhaupt nicht gut. Sie sind der Überzeugung, wer einen Musiker zum Freund hat, dem geht die journalistische Distanz verloren bei diesem Thema.

Manche Journalisten, denen die journalistische Distanz über alles geht, schreiben dann Glossen über diese Problematik. Anlässlich der Veröffentlichung des letzten Tomte-Albums Buchstaben über der Stadt im Jahr 2006 beklagte sich zum Beispiel einer in einer als seriös geltenden Musikzeitschrift darüber, dass viele seiner Kollegen über Thees Uhlmanns Handynummer verfügen würden, und stellte fest, dass schon sehr viele dieser Handynummernbesitzer in Uhlmanns Wohnküche in Berlin-Kreuzberg gesessen hätten. Journalistische Distanz und so. Aber die journalistische Distanz kann auch auf anderen Wegen verloren gehen. Das zeigt sich dann zum Beispiel daran, dass zum Beispiel die Neuveröffentlichungen von zum Beispiel manchen „alten Helden“ der Rockmusik (zum Beispiel Bruce Springsteen, Bob Dylan, R.E.M.) des puren Ereignisses wegen vollkommen kritiklos hochgejubelt werden. Man braucht nicht über die Handynummern von zum Beispiel dem „Boss“ oder von „His Bobness“ oder von „Stipey“ zu verfügen, um die journalistische Distanz zu verlieren, das geht auch anders.

Thees Uhlmann hat eine bestimmte Art, sich sprücheklopfend in Szene zu setzen. Die wird von seinen Buddys als Authentizität ausgelegt, das lieben seine Buddys an ihm. Diese Direktheit, dieser Sinn für Situationskomik, diese norddeutsche Schnauze, die dem Gegenüber immer einen passenden oder unpassenden Spruch reindrückt. Von seinen Kritikern werden diese Eigenschaften als geschickte Inszenierungen eines ganz bestimmten Images abgetan.

Wir befinden uns in der Schaltzentrale der Macht, im MUSIKEXPRESS-Hauptquartier in München. Thees Uhlmann ist da, um sich für eine „Track by track“-Analyse des neuen Albums heureka auf www.musikexpress.de von der Online-Redaktion filmen zu lassen. Das ist mit allerlei markigen Sprüchen, abschweifenden Gedankenblitzen und unter Einbeziehung der eigentlich nicht beteiligten Zaungäste aus der Printredaktion verbunden. Pause. Vor dem Interview mit musikexpress, dem Magazin, muss erst einmal Bier gekauft werden, vielleicht auch, damit Uhlmann dem Bild des biertrinkenden Semi-Prolls gerecht wird, wahrscheinlich aber eher, weil es ihm schmeckt. Der musikexpress macht sich mit dem Tomte-Sänger auf zur nahe gelegenen Tankstelle, um Bier aus Münchener (für den Nichtmünchener) und Bremer Herstellung (für den Münchener) zu kaufen. Er zahlt mit EC-Karte und drückt dem Mann hinter der Kasse bei dieser Gelegenheit gleich einen als Kompliment gemeinten Spruch rein. Er, Uhlmann, fände es gut, dass der Mann hinter dem Tresen nicht gesagt habe „Geheimzahl und zweimal bestätigen.“ Schließlich würde man das mit der Geheimzahl und dem zweimal Bestätigen ja tausend Mal im Monat tun, und da sei es ja überhaupt nicht mehr nötig, dass man das dann noch extra erwähne. Der Mann an der Kasse, der offenbar nicht sehr häufig mit Komplimenten zu seinem EC-Kartenlesegerät-Instruktionsgebaren konfrontiert wird, reagiert mit einer Mischung aus Unverständnis und Apathie. Auch diese Szene werden Uhlmanns Buddys als Beweis seiner Authentizität und seiner Spontaneität heranziehen und seine Kritiker als billige Inszenierung auslegen. Schließlich war ja der musikexpress dabei. Und jetzt steht diese Begebenheit auch noch auf diesen Seiten. 1:0 Uhlmann.

Der Sänger von Tomte, der sich gerne solidarisiert mit allem und jedem und vor allem mit den Fans seiner Band, hat jetzt den ultimativen Schritt zur Solidarisierung mit den Fans getan. Er hat nachdem sich das Personalkarussell bei Tomte ein bisschen drehte – einen Fan in die Band geholt: „Sir“ Simon Frontzek. Schlagzeuger Timo Bodenstein, seit 1994 bei Tomte, hatte im Januar 2008 die Band verlassen. Aus .familiären Gründen“, wie es offiziell heißt. Der bisherige Keyboarder Max Schröder wurde ans Schlagzeug gesetzt. Die dann vakante Position an den Keyboards von Simon Frontzek besetzt. Für Kritiker, zumal für die, die die Geschichte von den ,familiären Gründen“ nicht glauben wollen, ist der Fall klar: Da will sich einer eine Band aus Ja-Sagern und Bewunderern zusammenbasteln.

Aus Gründen der Erzähldramaturgie haben wir bisher vermieden zu erwähnen, dass Thees Uhlmann heute nicht allein in die Redaktion gekommen ist. Er hat Simon Frontzek mitgebracht. Schon bei der „Track by track“-Analyse für die Kollegen der Online-Redaktion wird der harte, aber herzliche Umgangston zwischen Chef Uhlmann und „Rookie“ Frontzek deutlich. Dann das Interview. Die obligatorische, eigentlich rhetorische Frage „Wollen wir anfangen ?“ beantwortet Uhlman mit: „Sehr gern.“ Sofort äfft ihn Frontzek mit schön gedehnten Vokalen nach: „Seeeehr geeeern. Seeeehr geeeern.“ Uhlmann: „Oh, nein, jetzt geht das schon los, ey.“Das scheint wohl öfter vorzukommen zwischen den beiden.

Jetzt wird auch klar, was Uhlmann damit meint, wenn er sagt, Frontzek sei „zwar Fan, aber nicht so devot“, wie man es von dem Anhänger einer Band erwarten würde, der plötzlich Mitglied dieser Band wird. Uhlmann lobt Frontzeks „guten Humor“, kritisiert aber auf der anderen Seite, dass er „diesen Gymnasiastenhumor nicht abgelegt“ habe. „Wo die Leute lachen, wenn jemand nur ein Wort wiederholt. Gib mir mal ein Bier. Gib mir mal ein Bier. Hahaha. Wenn ich das im Bus 48 Stunden om Stück höre, da hab ich den Kaffee auf. Zum Beispiel ich: ,Heute das Konzert fand ich ganz geil‘ Er; ,Seeeeehr geil.‘ Beim Lied ,Küss mich wach, Gloria‘ singe ich, ,ich lebte da sehr gern‘. Er sagt auf der Bühne, so dass ich das hören kann: ,Seeeeehr gern.‘ Ey, wenn ich mal einen Tag schlechte Laune habe und das höre, dann spring ich dem in sein Scheiß-Elfenbein und schlag ihn tot. Er weiß auch, dass es mir auf die Nerven geht. Ich find’s auch wirklich nicht witzig.“

24. Marz 2002, Karlsruhe, Festhalle Durlach. Konzert von Element Of Crime. Im Vorprogramm spielen Tomte. Sänger Thees Uhlmann fällt ein Zuschauer in der ersten Reihe auf. Er steht vorne links, „kann alles mitsingen und kreischt rum“ (Uhlmann). Es ist Simon Frontzek. „Du hast das Gefühl, du siehst jemanden und weißt, dass der eine Rolle in deinem Leben spielen wird. Ich habe Simon gesehen, kennengelernt, gedacht: geiler Macker. Schön durchgeballert, stellt was dar, ist etwas Besonderes. Kennengelernt in Hamburg, nie wieder aus den Augen verloren, dann in Berlin wiedergetroffen.“ Frontzek widerspricht der Uhlmannschen Geschichtsschreibung. Ein einziges Mal habe er gekreischt bei diesem Konzert. „Es gibt diese Stelle bei ,Die Bastarde, die dich jetzt nach Hause bringen‘. Da geht’s so runter, und wenn’s dann wieder reingeht, ist das ein großer Oasis-Moment. Ich war mit meinem Bruder auf dem Konzert und habe ihm gesagt, gleich kommt da so ein Moment, und dann habe ich den Arm hochgerissen und geschrien, aber ich habe nicht ständig auf diesem Konzert geschrien, sondern nur dieses eine Mal, dann aber laut.“

Ist es nicht komisch, plötzlich Mitglied der Band zu sein, die man über die Jahre als Fan begleitet hat? „Es macht einen Riesenspaß, bei Sachen, die man jahrelang von der Zuschauerseite angeguckt hat, mitzuspielen. Zu sehen, wie diese Band funktioniert und wie sie tatsächlich das einhält, was ich über sie gedacht habe. Das ist schon erstaunlich. Es könnte ja auch total komisch sein. Du findest die Band gut, du kennst sie von Konzerten und ihren Platten und stehst mit denen im Proberaum. Es könnte ja auch sein, dass es total ätzend ist, mit ihnen Musik zu machen. Es könnte ja sein, dass das Volldeppen sind, die das auf der Bühne kaschieren – mitzukriegen, dass diese Band so funktioniert, wie ich sie immer für mich verstanden habe, macht unglaublichen Spaß. Es ist ja schon mal ganz gut, nicht enttäuscht zu werden.“

Simon, warum bist du Tomte-Fan?

frontzek: Ich habe ehrlich gesagt niemals deutschsprachige Musik gehört. Das hat mich alles nicht interessiert. Ich bin mit 21 Jahren nach Hamburg gezogen und habe angefangen, mir Konzerte anzusehen. Das allererste Tomte-Konzert, das ich gesehen habe, war an einem Nikolaustag in der „Roten Flora“. Das war das letzte Konzert, bei dem Stemmi (Christian Stemmann, bis 2001 Mitglied von Tomte -Anm. d. Red.) als Bassist dabei war. Ich kannte die Band nicht. Ich kann es an keiner bestimmten Sache festmachen, warum ich das so empfunden habe: Das waren Leute für mich, denen im Grunde scheißegal ist, was da passiert und warum sie das machen, aber sie müssen es machen. Ich habe im Gegensatz zu ihnen niemals Punk und Hardcore gehört. Das, was man damit verbindet, habe ich zum ersten Mal bei Tomte empfunden. Denen ist alles egal, die nehmen keine Rücksicht auf gar nichts. Es war laut, es war holprig, und es hatte aber trotzdem Größe. Es war sehr beeindruckend. Wir machen das, weil wir das machen müssen, wir können nicht anders. Das war sozusagen meine erste Punkrockerfahrung.

Was bringt Simon in die Band ein, was vorher nicht da war?

uhlmann: Zunächst einmal die Qualität, die er als Klavierspieler hat. Wir könnten uns jetzt hier an ein Klavier setzen, und er spielt „Schreit den Namen meiner Mutter“. Es würde fünf Minuten dauern, dann könnten wir dir das vorspielen. Und das ist schon was Außergewöhnliches. Mir ist neulich aufgefallen, er war bis jetzt noch kein Freund, aber er war auch irgendwie mehr als ein Bekannter. Wenn du was spürst mit einem Typen, dann ist das ein Buddy. Das ist für mich wie eine Frischzellenkur. Ich kann mich über die Eigenarten von jemandem aufregen. Ich kann Verantwortung abgeben. Ich kann sagen, spiel Klavier, mach was bei „Mutter“ im Zwischenteil, ich habe keine Lust, das immer nur allein zu spielen. Es macht mir jetzt wieder mehr Spaß, „Mutter“ zu spielen. Jetzt weiß ich, Simon setzt im Zwischenteil ein – das ist herrlich. Ich muss ihm auch nichts erzählen, er spielt das instinktiv. Du kannst den Sound der Band damit verändern, du kannst dich selber einfach kicken.

Hast du irgendwelche Eigenschaften an Tomte erkannt, die dich überrascht haben?

frontzek: Ganz viele. Ich kannte die einzelnen Typen ein bisschen, aber wie die miteinander umgehen, was für eine Offenheit und Herzlichkeit in dieser Band herrscht, ist schon einfach gut mitzukriegen. Du merkst, so sollte das in einer Band funktionieren. Es gibt ja Bands, in denen die Leute nicht miteinander reden. Es macht einfach großen Spaß, sich da einzubringen.

Zum Zeitpunkt des Interviews in München haben wir keinen Anlass zu zweifeln, dass die aktuelle Besetzung von Tomte aus den folgenden Menschen besteht: Thees Uhlmann (Gesang, Gitarre), Dennis Becker (Gitarre), Olli Koch (Bass), Simon Frontzek (Keyboards) und Max Schröder (Schlagzeug). Warum sollten wir auch daran zweifeln? Zwei Tage nach dem Interview ist eine Fotosession mit Tomte in Berlin angesetzt. Die Fotografin Maren Böttcher wundert sich, dass nur vier Mitglieder von Tomte zur Session erschienen sind.

Bassist Olli Koch fehlt. Man versichert ihr, dass das schon alles seine Richtigkeit habe. Als ein paar Tage später die Fotos in der Redaktion eintreffen, große Aufregung. Wo ist Olli Koch? Nachfrage bei der Promoagentur, die ein paar Stunden später von Thees Uhlmann persönlich am Telefon beantwortet wird. Kochs Handgelenk, erklärt Uhlmann, schwillt beim Bassspielen an. Bei den Aufnahmen zu heureka sei das erstmals aufgetreten. Es sei ihm mittlerweile unmöglich, Bass zu spielen. Ein paar Tage danach veröffentlicht das Tomte-Label Grand Hotel Van Cleef eine Pressemitteilung mit einer persönlichen Erklärung Kochs. Darin drückt er auch sein Bedauern darüber aus, nicht mehr in der Band zu sein, „die für mich eine ganze Weile lang irgendwie auch die Welt bedeutet hat“. In der Erklärung stellt Koch auch seinen temporären Nachfolger vor: Nikolai Potthoff, Produzent von Muff Potter und alter Freund Kochs, wird auf Tour Bass bei Tomte spielen. Seltsam nur, dass während des dreistündigen Zusammenseins in der MUSiKEXPRESS-Redaktion kein Wort über den zweiten Personalwechsel bei Tomte innerhalb eines Dreivierteljahres gefallen ist.

Das übergeordnete Thema auf hinter all diesen Fenstern war die Suche nach der Liebe. Auf Buchstaben über der Stadt war die Suche dann beendet. Was ist das große Thema des neuen Albums?

uhlmann: Das ist schwierig, weil es das Thema nicht gibt. Ich empfinde diese Platte als total stringent. Fast jede Facette meines Lebens ist darin abgebildet. Die Platte ist losgelöst von irgendwelchen Meta-Dingen. Auf heureka spiegeln sich vielmehr Alltagsachen wider, zum Beispiel, dass ich zu einer bestimmten Zeit gemerkt habe, dass ich Hamburg vermisse, dass ich St. Pauli wirklich vermisse, dass mir bestimmte Facetten an Berlin überhaupt nicht gefallen.

Zum Beispiel?

uhlmann: Die Unfreundlichkeit der Menschen. Unglaublich. Die Leute nennen das vielleicht „Berliner Schnauze“. Aber das ist einfach nur Vulgarität. Dann fließt so was in einen Song ein wie „Wie

sieht’s aus in Hamburg?“ Es verbindet mich viel mit St. Pauli als Fußballverein und mit den Leuten, die ich da kenne.

„Wie sieht’s aus in Hamburg wirkt wie ein wehmütiger, aber abgeklärter Blick zurück.

uhlmann: Eigentlich ist es eine Hommage an Simon Raß (Freund von Uhlmann und Mitarbeiter des Labels Grand Hotel van Cleef- Anm. d. Red.). Hamburg liegt mir nach wie vor sehr am Herzen. Braunweiß auf jeden Fall. Der Song ist überhaupt nicht arrogant gemeint. Ich weiß natürlich, dass es arrogant ist zu singen, „deine Geschichte, die auf ein Reiskorn passt“. Das bedeutet ja, du hast nichts gemacht in deinem Leben. Es kommt von diesem Jahrmarkt-Ding „Ihr Name auf einem Reiskorn“, das von Asiaten angeboten wird. Die schreiben das dann da drauf.

frontzek: Ich hab das gar nicht als negativ empfunden.

uhlmann: Es ist ja auch nicht negativ gemeint. Aber der Song ist auch eine Möglichkeit, mit Hamburg abzuschließen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ich in den nächsten fünf Jahren zurückziehe. Hamburg wird, glaube ich, langsam zu einer komischen Stadt. Das „Molotow“ muss schließen – ein Club, den jeder kennt in Deutschland, der sich für Rockmusik interessiert. Der Laden muss dichtmachen. Ihn zu erhalten, kostet ein Fünftausendstel von dem, was die Elbphilharmonie kostet. Weil sich die Politik nicht dafür interessiert, was den Reiz Hamburgs für Tausende von Menschen ausgemacht hat, sondern lieber eine spießige deutsche Mittelschichtskultur unterstützt. Aber ich habe auch manchmal meine Probleme mit Berlin.

Simon, findest du es uneingeschränkt gut, in Berlin zu leben?

FRONTZEK:Ne.

uhlmann: In dieser Stadt bist du bei Tomte eingestiegen!

frontzek: Ja, aber dann hört’s auch schon langsam auf. Es ist doch richtig zu sagen, dass da Menschen unfreundlich sind. Es ist richtig zu sagen, dass es einen anderen Umgang gibt in anderen Städten.

thees: Ich hab ja immer Sido im Kopf: „Dann merkst du schnell, Berlin ist nichts für dich.“ Da denk ich oft dran. Erste Platte, ein Klassiker, der NWA der deutschen Musikszene.

Thees, du hast bei unserem letzten Interview gesagt: „Hamburg ist eine Stadt, die auf Neid aufgebaut ist.“ Die Hamburger Schule ist ja schon ein bisschen elitär. Ist das in Berlin anders, weil die Stadt viel größer und in verschiedene Szenen aufgeteilt ist?

uhlmann: Ich weiß, dass ich bei einem Konzert locker neben Gunnar Spies, dem Schlagzeuger von Mia, stehen und mich mit ihm unterhalten kann. Er weiß, dass ich ihn schon gedisst habe, er weiß, dass ich dem Frühwerk von Mia alles andere als positiv gegenüberstehe, da reden wir kurz drüber, aber es ist alles in Ordnung.

Wie wäre es denn, wenn du in Hamburg beim Konzert neben Jochen Distelmeyer stehen würdest?

uhlmann: Ich bin ein Arschprolet. Ich bin gerne besoffen, ich bin dann laut, ich habe gerne Leute um mich herum, die laut sind. 2004 beim „Sonnenrot Festival“ hat sich Distelmeyer zu uns gesetzt und meinte: „Hey, ihr seid Tomte, ich setz mich mal zu euch, bei euch ist immer was los, habe ich gehört.“

Er ist ein sehr beeindruckender Mensch und ein unglaublich guter Geschichtenerzähler. Ich kriege aber mit, dass es Leute gibt, die Scheiße über das erzählen, wofür ich stehe, was ich mache, wofür ich arbeite, was ich anderen Bands ermöglichen will. Das bockt mich halt dann nicht an. Die Leute müssen keine Tomte-Fans sein, aber wenn sie mich diskreditieren, ist das scheiße, und dann verliere ich den Respekt vor ihnen. Es wird immer nur der angegriffen, der den Ball hat.

frontzek: (lacht sich schlapp) Gefährliche Aussage.

thees: Einer unserer leidenschaftlichsten Hasser ist Jan Delay. Wir haben mal am selben Tag in Berlin gespielt, und Jan Delay geht auf die Bühne und sagt: „Vielen Dank, dass ihr nicht bei Tomte seid.“ Dann denke ich mir, du in deinen schlecht sitzenden Anzügen bringst so viel Energie auf, meine Band scheiße zu finden, Hut ab. Hass ist die einfachste Form der Anerkennung. Ich wünsche ihm alles Gute, dem Marvin Gaye aus Norddeutschland. Wenn berühmtere Leute dich beschissen finden, ist das immer super.

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