„Meine Kinder Würden Über Woodstock Nur Lachen“


Regisseur Ang Lee ("Brokeback Mountain") über seinen neuen Film "Taking Woodstock" nach dem gleichnamigen autobiografischen Buch von Elliot Tiber.

Sie waren beim Woodstock-Konzert gerade einmal 14 Jahre alt – welche Erinnerungen haben Sie an das Flower-Power-Happening?

Ich habe mich darauf verlassen, was uns die Medien erzählten – das war ein Witz, als ginge es da nur um einen seltsamen Lebensstil. Die ganze Tragweite erkannte ich erst, als ich mich für den Film mit dem ganzen Thema beschäftigte. Woodstock hat viele Qualitäten: Es ist ein Symbol für Freiheit und steht für die Unschuld in vielen Bereichen. Es ging schon damals um Themen, die bis heute aktuell sind: natürliches Leben und Respekt für die Umwelt. Menschenrechte, Toleranz, Verständnis für andere Kulturen.

Wie wurde Woodstock in Ihrer Heimat Taiwan wahrgenommen?

Im Taiwan verlief die Frontlinie des Kalten Krieges, da ging es sehr konservativ zu. Es wurden die Werte des guten alten Amerika hochgehalten und der Führer der freien Welt verteidigt – als eben dort neue Freiheiten eingefordert wurden, empfand man das als etwas irritierend. Ein paar Leute haben die Bedeutung sicher erkannt – aber zu denen hatte ich nicht gehört. Wie fast alle habe ich das nur im Fernsehen mit schwarzweißen Bildern verfolgt. Da sah man langhaarige Typen mit Gitarren und dachte: cool.

Waren Hippies in Taiwan überhaupt denkbar?

Wer sich damals lange Haare wachsen lassen wollte, wurde verhaftet und bekam gleich von der Polizei seinen neuen Schnitt. In den Streifenwagen wurden dafür sogar Scheren mitgeführt, die Patrouillenfahrzeuge waren rollende Friseurläden, (lacht) Jene alte Hippie-Seligkeit mit ihren lässigen Visionen wirkt heute fast wie ein Antidepressivum in Zeiten der globalen Krise … Damals konnte man sich tatsächlich diesen Luxus erlauben, einfach nur so aus Spaß gegen das System zu rebellieren. Heute sind uns die Grenzen sehr viel deutlicher, auch unsere große Verantwortung gegenüber unseren Kindern. Ein bisschen fühlt sich „Taking Woodstock“ an wie ein Feel-Good-Movie: ein Nostalgietrip zu einer Zeit, als Utopien einfach noch so einfach waren?

Für mich selbst fühlt sich „Taking Woodstock“ ziemlich gut an, allerdings war es nie mein Ziel, daraus ein Feelgood-Movie für ein krisengeschütteltes Publikum zu machen – das Projekt entstand schließlich schon lange vor der Krise. Natürlich freut es mich, wenn die Zuschauer eine gute Zeit im Kino haben. Bei aller Leichtigkeit gibt es ja durchaus Bezüge zur Wirklichkeit. Es geht nicht nur um Komik und unrealistischen Optimismus.

Wie reagieren heutige Jugendliche auf ihre rebellischen Vorgänger von vor 40 Jahren?

Meine Kinder sind 25 und 19, ich glaube, sie würden über Hippies nur lachen. Die ]unge Generation ist viel nüchterner, praktischer und verfolgt klar ihre Ziele. Zeit für Träume hat sie kaum noch. Damit hatten auch unsere Statisten zu kämpfen: Es fiel ihnen schwer, einfach ganz ziellos herumzulaufen und sich einmal nur so völlig grundlos anzuschauen.

Sehen Sie die junge Genera- tion pessimistisch?

Nein, die junge Generation ist durchaus idealistisch, sie ist einfach nur viel mehr praktisch orientiert. Diese Jugend hat Obama als Präsidenten erst möglich gemacht – das ist ihre Art von Happening.

Wie wahr ist Ihre Version von „Woodstock“ überhaupt? Das kann ich gar nicht beurteilen, ich habe mich einfach an die Romanvorlage gehalten. Bei meinen Recherchen habe ich mich intensiv mit unterschiedlichen Quellen beschäftigt, aber jede hat ihre ganz eigene Art der Darstellung. Es gibt zum Beispiel vier verschiedene Versionen, wer dieses Grundstück gefunden haben soll.

Im Roman spielt die Homosexualität des Helden eine viel größere Rolle, warum haben Sie das so stark reduziert?

Der Roman beinhaltet sehr viel Material, die ersten 80 Seiten sind allein dem Aufwachsen gewidmet. Wir haben nur jene Teile übernommen, die etwas mit Woodstock zu tun haben. Auch was die schwulen Aspekte anlangt, haben wir uns auf das Notwendige beschränkt. Schließlich geht es hier nicht um eine Biografie, sondern um Woodstock.

Sind die nostalgischen Split-Screen-Einstellungen und körnigen Bilder Ihre Reverenz an die berühmte „Woodstock“-Doku, die Martin

Scorsese einst oscarreif ge- schnitten hat?

Absolut, diese Stilmittel gehören doch ganz einfach zum Kino der 70er-Jahre und sind auch bei Dokumentationen sehr beliebt, dass wollte ich auf jeden Fall übernehmen. Schwieriger war die Entscheidung, ob ich Zoom verwenden soll, ohne dass es zu albern wirkt. Aber ich bin jetzt froh, dass es ein paar schöne Zoom-Einstellungen gibt.

Manche haben sich gewundert, dass

bei einem Film über Woodstock vom eigentlichen Konzert fast nichts zu sehen ist – wie kam das?

Dass man das Konzert nur aus der Ferne sieht, liegt teilweise am Geld und hat nicht nur künstlerische Gründe. Weil es aber um die Atmosphäre gehen sollte, war es gar keine so schlechte Idee, ein Geheimnis aus dem Konzert zu machen.

Was hat Sie an dem Stoff interessiert?

Seit 13 Jahren möchte ich eine Komödie machen – und endlich hatte ich sie gefunden. Ich habe diesen Film persönlich ganz einfach gebraucht. Meine letzten Filme waren alle sehr tragisch und schwer, davon habe ich eine Erholung gebraucht. Ihr Held Elliot erinnert nicht nur mit seiner Frisur an Dustin Hoffman aus der „Reifeprüfung“ …

„Die Reifeprüfung“ war ein ganz entscheidender Film für mich, eine Offenbarung: Hier wurde mir zum ersten Mal klar, dass Film viel mehr sein kann als bloße Unterhaltung. Die Ähnlichkeit von Demetri Martin zu Dustin Hoffman ist mir allerdings nie aufgefallen – darauf hat mich erst in Cannes jemand nach der Vorführung aufmerksam gemacht.

Wie haben Sie die Schauspieler eingestimmt aufs Hippie-Dasein?

Sie bekamen von mir Musik für ihre iPods sowie DVDs mit Filmen aus jener Zeit. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht, drei Wochen vor dem Dreh begannen wir mit den Proben. Für die Statisten gab es ein eigenes Hippie-Training-Camp.

liileniew: Dieler Oßwald Filmstart: .},-/ inrw.lakingwooclstock themorie.com ME-Kinoexperle Tomasso Schultze hat mit“.Taking-Woodstock“-Autor Elliot Tiber über dessen Festival-Erinnerungen gesprochen.

tietzansebmss Das Teiber-Snierview in voller Länge findet sich unter wincmusikexpress. äe/feiber