Michael Kiwanuka im Interview: Ohne Stereotype geht es eben auch nicht


Der britische Soulsänger Michael Kiwanuka muss sich mit vielen Vorurteilen herumschlagen. Er ist schwarz. „Ah, und dann auch noch Soulsänger ... Alles klar!“ Nee, gar nix ist klar, wie sich in unserem Interview mit dem 29-jährigen Musiker aus London zeigt...

Kanye West wollte, dass du den Soul für ihn singst?
Ja, noch so ein Stereotyp. Ihm gefiel meine Stimme und er lud mich ein zu den Sessions für YEEZUS. Ich flog nach Hawaii. Dort konnte ich dann meine eigenen Stereotype überprüfen, wie ein Rap-Album gemacht wird.
Und?
Es traf alles zu. Unter Studioarbeit stelle ich mir einen Raum voller Instrumente und Musiker vor. Es war das komplette Gegenteil. Ich bekam einen Computer und ein Mikrofon, wurde alleine in einen winzigen Raum gesetzt. Dort sollte ich dann mal machen. Ich kam mir vor wie ein Außerirdischer! Nichts von meinen Sachen kam auf das Album, aber die Erfahrung war es wert.
Mehr noch als das Klischee bezieht sich das Stereotyp auf Individuen, die wegen äußerer Merkmale einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden. Hast du jemals einer solchen Gruppe angehört?
Bei mir war es das Skaten. Ich hing nur mit Skatern ab, unter ihnen auch einige Gitarristen. Diese Community beherrscht bis heute meine Vorstellung davon, was „Gemeinschaft“ bedeutet.
Aus der Szene kommt ja auch …
… Rock. Definitiv. Punkrock, eigentlich. Das war auch mein Problem. Ich bin gegangen, als ich mich für andere Musik interessiert habe.
Für HipHop?
Sehr lustig. Nein, einfach gute Musik, kein Punk oder Metal. Gerne aus den 60ern. Außerdem fürchtete ich mich vor den Stürzen, ich war einfach nicht gut auf dem Board.
Du giltst als Soulmusiker …
Ich gelte? Ich bin einer!

Ich bin Soulmusiker – aber nicht ausschließlich. Ich muss einen Weg finden, diese Begrenzung zu überwinden.

Aber das ist doch auch ein Stereotyp.
Das ist doch nicht schlimm! Das ist die Art und Weise, wie Menschen sich orientieren. Es ist doch auf der Welt alles kategorisiert. Mir hat es auch geholfen, zu sehen: Ah, Baggy Trousers und bestimmte Turnschuhe, dieser Typ oder dieses Mädchen fährt bestimmt auch Skateboard! Also gehst du hin, sagst „Hallo!“ und das ist ein Anfang. Mit der Musik verhält es sich ähnlich. Wenn du dich für Soul interessierst, liest du ein Soulmagazin oder hörst einen Soulsender, weil du zu Recht annimmst: „Hm, da könnte etwas für mich dabei sein.“
Schubladen …
Diese Schubladen sind wichtig! Ich bin Soulmusiker – aber nicht ausschließlich. Ich muss einen Weg finden, diese Begrenzung zu überwinden. Und ich brauche ein Publikum, das mir das gestattet. Zwei Leute, die beide Baggy Trousers und bestimmte Turnschuhe tragen, können auch die unterschiedlichsten Menschen der Welt sein. Sie sind aber eben auch: Skater.
Es gibt also positive Stereotype?
Ja. Wie du dich ausdrückst und wie du aussiehst, das gibt kleine Hinweise darauf, wer du bist. Ein Stereotyp ist immer der Versuch herauszufinden, mit wem man es zu tun hat. Schlecht wird es erst, wenn dich das eigent­liche Individuum dahinter nicht interessiert.
Stereotype drücken sich auch in Redensarten aus, wie etwa: „Früher war alles besser!“ Würdest du das als Soulmusiker nicht auch unterschreiben?
Du musst die Vergangenheit kennen, um in die Zukunft zu kommen.
Aber Soul ist doch retro und damit rückwärtsgewandt, oder?
Damit kämpfen auch andere Soulmusiker. Ja, Soul ist retro. Deshalb ist es so wichtig, eben nicht in Stereotype oder Klischees zu verfallen. Schwerer als mit der Musik ist mir das bei den Texten gefallen. Ich hatte das Gefühl, immer das gleiche Zeug zu erzählen. Und dann habe ich gemerkt, dass das eigentlich ganz okay ist. Dann wusste ich, was zu tun ist.
Was denn?
Das, was ich offenbar sagen muss, mit noch weniger Worten zu sagen. Und diesen wenigen Worten mehr zu vertrauen.