Mit einer CD im Gepäck suchen die Leningrad Cowboys im All nach neuen Fans —- und landen doch erst mal in Deutschland


Planet Erde ist den zehn finnischen Dadaisten, in deren schmächtigen Körpern sich die melancholische russische Seele quält, längst nicht mehr groß genug – mit ‚Leningrad Cowboys Go Space‘, dem sechsten Album der Kult-Truppe, hat es die „schlechteste Rock’n’Roll-Band der Welt“ jetzt aufs ganze Universum abgesehen. „Es wird Zeit“, grunzt der Kreativ-Cowboy Sakke Järvenpää, „daß die Bewohner anderer Planeten von uns erfahren und wir so unsere Hörerschaft um ein paar Sternensysteme erweitern.“

Zwar besteht das musikalische All von Järvenpää und den Seinen nach wie vor aus der bewährten Mischung aus Rock’n’Roll-Klassikern, fröhlichem Foxtrott, Polkapunk und volksnahen Tönen aus der Tundra (hinzugekommen sind lediglich ein paar kosmische Klänge à la Pink Floyd). Doch ist die kreative Weiterentwicklung in kleinen Schritten angeblich pure Absicht. „Die grünen Männchen vom Mars“, erklärt Sanges-Cowboy Mato Valtonen, „haben schließlich auch ein Recht darauf, echten Rock’n’Roll zu hören. Deshalb beschlossen wir, an unserem Stil nicht viel zu verändern und den Jungs und Mädels da oben eine Platte zu widmen, die man sofort als eine von uns erkennt.“ Wenn sonst auch vieles beim alten geblieben ist: Ihr Outfit haben die Leningrad Cowboys der Aufgabe im All angepaßt. An die Stelle der grauen Uniformen aus alten Sowjetbeständen sind schnieke Anzüge vom Schneider getreten, zu denen der Cowboy von Welt einen schicken Astronautenhelm trägt. „In den hellen Anzügen sieht man uns auch auf der dunklen Seite des Mondes“, betont Sakke, „als ausgebuffte Marketingstrategen achten wir natürlich auf derlei Details.“

Apropos Marketing: 1993 wurden die Cowboys vom finnischen Handelsverband für clevere Selbstvermarktung mit einem Preis ausgezeichnet — was Mato noch heute wundert: „Klar, wir sind zwar die Helden des Marketing schlechthin. Aber wir hätten nie geahnt, daß uns einmal eine seriöse Institution ehren würde.“

Vom finnischen Handelsverband mit viel Wohlwollen bedacht, fiel es den tragischen Helden von der Ostsee leicht, für die anstehende Tournee (s. Termine) attraktive Verstärkung an Land zu ziehen. Erstmals in der zehnjährigen Karriere der Leningrads sind bei der aktuellen Konzertreise auch weibliche Cowboys mit von der Party. Die zwei ‚Leningrad Ladies‘ verdingen sich in der bizarren Männergesellschaft aus Helsinki als Go-Go Girls. Über die Herkunft der beiden Damen weiß Sakke nur Bestes zu berichten.

„Die haben wir in einem schlecht laufenden Puff irgendwo in Sibirien aufgetrieben. Ihre besten Tage haben die beiden natürlich längst hinter sich. Aber da das auch für uns Männer gilt, lag es nahe, die zwei Ladies ins Cowboy-Kollektiv aufzunehmen. Das Resultat gibt uns recht. Die beiden wirken genauso unerotisch wie wir.“

Erotik hin, Sex-Appeal her: Die wahre Lust der Leningrads liegt ohnehin in slawischen Melodien. So artikulieren sich die Turbotollen aus der Tundra gern in melancholischem Moll. Doch selbst dabei kommt der Spaß nicht zu kurz. Denn nichts im schrägen Klangkosmos der trinkfesten Finnen ist so ernst, als daß man es nicht durch den großen Comedy-Wolf drehen könnte. „Wir sind nun mal die Leningrad Cowboys“, sagt Sakke, „und das ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Also machen wir weiter, bis wir einen Ort finden, an dem das Bier nie ausgeht und der Wodka 70 Prozent hat. Wenn wir dort ankommen, sind unsere kranken Seelen endlich zu Hause.“