Moskau Rock Festival


Zwei Tage für den Frieden und gegen Drogen? Beim Moskauer Mega-Festival ging es alles andere als clean und friedlich zu. ME/Sounds-Reporter Andi Kraatz entdeckte hinter den Kulissen die Sollbruch-Stellen der Benefiz-Moral.

Kein Unbescholtenerer als Amerikas polizeibekannter Rock-Manager Doc McGhee, in den USA wegen des nachweislichen Vertriebs von 18 Tonnen Marijuhana rechtskräftig verurteilt und zum Aufbau einer gemeinnützigen Organisation verdonnert, hatte zusammen mit seinem sowjetischen Partner und Rock-Zaren Stas Namin die Devise ausgegeben: Kampf dem Alkohol-und Drogen-Mißbrauch unter Jugendlichen – „Make A Difference“, so auch der Name der Anti-Rausch-Aktion.

Den vielbeschworenen Unterschied demonstrierte man allerdings nur auf der Bühne. Allen voran die Glamourboys von Mötley Crüe, die dem Alk und sonstigen Substanzen schon vor Monaten Ade gesagt hatten und geschlossen den „Anonymen Alkoholikern“ beigetreten waren. Im Licht der Scheinwerfer mit „Wasser statt Whiskey“-Sprüchen protzend, tobte im diffusen Backstage-Licht der Band-Krieg, weil Mötley Crüe sich lautstark weigerten, vor Ozzy Osbourne zu spielen. Crüe-Gitarrist Mick Mars: „Wir mimen doch nicht die Vorpuppe für so einen abgetakelten Rock-Opi!“ Doc McGhee fing den stinksauren Ozzy, der schon die Koffer für die vorzeitige Abreise gepackt hatte, an der Hotelpforte ab. Ergebnis: Ozzy war doch Headliner.

Die Scorpions dagegen machten keinen Ärger – sie trafen sich am Vorabend mit dem in Sachen Werbung für „Müller Milch“

angereisten Franz Beckenbauer auf eine Multi-Vitamin-Buttermilch.

Den Fans im knapp 100.000 Zuschauer fassenden und an beiden Tagen ausverkauften Lenin-Stadion imponierte das wenig – Hauptsache endlich mal die Volldröhnung mit Rock und Dope (stolze 300 Mark das Gramm für West-Besucher, Arbeiter, Bauern, Soldaten und Studenten zahlten weniger). Diese Exzesse konnte nicht einmal vom Heer der Miliz und Ordner verhindert werden. Bon Jovi, die Scorpions oder Ozzy Osbourne – je präziser die Rock-Attacken, um so feucht und dunstfröhlicher die Stimmung im Stadion.

Weniger freundlich war die Stimmung zwischen den Bands – drei Tage lang stritten sie sich darüber, welcher Song beim großen gemeinsamen Finale den Höhe- und Schlußpunkt setzen sollte. Schwacher Kompromiß: John Lennons „Give Peace A Chance“. Und auch dafür mußte ein gutes Dutzend Telexe zwischen Moskau und Hawaii über den Erdball gejagt werden, bis die dort in der Urlaubssonne bratende Lennon-Witwe Yoko Ono die Erlaubnis gab, ihr Musik-Erbe All-Star-mäßig verwursten zu lassen.