Kolumne

Nummer Eins: Jochen Overbeck über „Bye Bye (MTV Unplugged)“ von Cro


Deutsche Single-Charts vom 20. Juli 2015, Platz 1: Cro, „Bye Bye (MTV Unplugged)“

Die schönsten Momente der an schönen Momenten sehr reichen Geschichte der Sendereihe „MTV Unplugged“ sind die folgenden: wie Marie Fredriksson beim Auftritt ihrer Band Roxette 1993 „Spending My Time“ schmachtet und ihr gleichzeitig eine sehr kecke Kopfbedeckung nicht vom Hinterkopf fällt, obwohl die Schwerkraft das eigentlich verlangen würde. Drei Jahre später
 das Mundharmonika-Solo, das beim Oasis-Mitschnitt – Sie wissen schon, DAS Unplugged, das ohne Liam – „The Masterplan“ einläutet. Und dann der komplette Auftritt von Dashboard Confessional 2002. Wie sympathisch doch amerikanische Teenager sind, die sehen alle so wohlerzogen aus. Als hätte man sie direkt aus der Fernsehserie „O.C. California“ ausgeschnitten. Kurz gesagt: tolles Format, das auch jenseits des legendären Nirvana-Auftritts näherer Betrachtung lohnt.

Wirklich, da kann man sich Nächte
 mit um die Ohren schlagen. Interessant ist: Während der Fernsehsender MTV nur noch eine Scheinexistenz führt, lebt „Unplugged“ munter fort, vor allem in Deutschland. Die Sportis, Sido, die Hosen: Wer im Spiel von Promotion und Abverkauf mittun will, stöpselt aus. Jetzt also Cro. Der Schwabenrapper. Der Maskenmann. Der Junge mit dem schweren Rucksack. Er lud zu seinem „Unplugged“ alle Freunde von Hafti bis Teesy ein und verriet in einem Interview, der Auftritt sei „megakrass“ gewesen. „Bye Bye“, die erste Singleauskopplung und offenbar ein Song über den ÖPNV, ist das nicht unbedingt, sondern eher Musiklehrer-Pop. Funky, aber halt erwachsen funky. Mit Streichern und Backgroundsängerinnen. Bisschen streberhaft in der Ausarbeitung. Interessant ist: Obwohl der Song auf keinem der beiden Cro-Alben erschien, kommt er einem sofort total bekannt vor, aber das ist ja eigentlich bei jedem Cro-Song so und hat vielleicht auch mit dem nicht so superkomplexen Songaufbau zu tun, was um Himmels willen kein Vorwurf sein soll, Einfalt ist im Pop ein essenzielles Feature – und für eine Nummer eins ein hilfreiches Tool. Und jetzt: Bye bye!