Neue Band, alte Songs: Der Boss arbeitet seine Vergangenheit auf


DORTMUND. Im letzten Jahr mußten sich die Zuschauer überwiegend mit Material von „Human Touch“/ „Lucky Town“ begnügen. Nach beinahe einem Jahr Tour-Routine wagt sich Springsteen mit neuer Band verstärkt auch an altes Material. Doch zum Auftakt seiner beiden Dortmunder Konzerte läßt Bruce seine Truppe zunächst einmal warten: Ein Akustik-Miniset gibt die Stimmung des Abends vor. Daß in einer Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit Depressions-Lieder wie „This Hard Land“ (unveröffentlicht) und „Seeds“ am Anfang des Sets stehen, läßt ahnen, daß Springsteen das Gespür für sein Publikum nicht verloren hat. Die neuen Songs von Glück und Zufriedenheit stehen nur scheinbar im krassen Gegensatz dazu. Die Message ist letztlich die gleiche: Konzentriert euch auf euer privates Glück!

In diesem Kontext gesehen, ergeben die ’93er Konzerte einen inneren Sinn: Der Depression folgen zwangsläufig „Better Days“, die mit solcher Wucht vorgetragen werden, daß sich im Publikum die Spannung explosionsartig entlädt. Bis zur Pause marschiert Springsteen mit seiner Band durch 20 Jahre eigener Geschichte, um bei „Leap Of Faith“ und „Man’s Job“ dann wieder in Ehe- und Familienglück zu schwelgen. Den fulminanten Abschluß des ersten Parts bildet eine zehnminütige Version von „Roll Of The Dice“. dessen Mittelpart „Everybody Needs Somebody“ sich immer mehr zum eigenen Song entwickelt.

Am Anfang des zweiten Teils sind zunächst wieder leisere Töne gefragt. „Promised Land“ und „Thunder Road“ in

Akustikversionen laufen bei den unplugged-Fans offene Türen ein, bevor es dann mit reichlich „Born In The USA“-Stoff in den Endspurt geht. (Beim ersten Konzert half Jon Bon Jovi bei „Glory Days'“ kurz aus.) Zwei tolle Konzerte können nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Ende der „E-Street-Band“ ein herber Verlust ist. Zwar ist Multitalent Crystal Taliefero eine Augen- und Ohrenweide, zwar gibt Bobby King einigen Songs die rechte Soulnote, doch den alten Sound können (und wollen) sie nicht reproduzieren. Zu einem echten Ärgernis könnte sich Drummer „Zack“ Alford entwickeln: Mal verpennt er einen Einsatz, dann wieder verläßt er sein Werkzeug, obwohl Springsteen gerne noch weitergespielt hätte. Max Weinberg, wo bist Du? Dieter Arndt