Norddichter am Horizont


Nach ABBA, Roxette und Ace of Base versucht sich Schweden jetzt an progressiveren Klängen: Andreas Johnson geht einen neuen Weg.

Zerbrechlich wie ein Knackebrot wirkt Johnson, wenn er mit hängenden Schultern am Tisch sitzt und mit großen Augen all die Menschen in Anzug und Krawatte betrachtet, die wiederum ihn anstarren. Extra sind sie nach Stockholm gekommen, um die Veröffentlichung seiner aktuellen CD „Liebling“ (Kritik S.64) zu feiern. Brav nickt Johnson allen zu und sieht ein bisschen aus, als ob er überrascht sei, hier eingeladen worden zu sein. „Das ist eine seltsame Situation, seltsam wirklich…“, sagt er ganz leise und schüttelt den Kopf. Jahrelang hatte er als Singer/Songwriter versucht, Platten zu verkaufen, „Planet Waves“ hieß seine erste schwedische Band, benannt nach dem ’74er Dylan Album. Bekannt war er lediglich in seinem Freundeskreis. Versuche in Berlin und New York Fuß zu fassen, schlugen fehl. Mit „Liebling“ hat sich alles geändert, schon bevor die CD in irgendeinem Laden stand, sind Menschen von der Industrie gekommen, die einem verwunderten Johnson auf die Schulter klopften. Aus schüchternen Flugversuchen ist so plötzlich eine NASA-Operation geworden: Die Single „Glorious“ wurde nach akribischen Kursberechnungen von der Plattenfirma in die Rotationen der Musiksender geschossen. Seitdem ist Johnson auf dem Weg nach oben. Den Umschwung brachte Freund und Produzent Kvint, der letztes Jahr im Studio von einem völlig verwandelten Johnson beinahe umgerannt wurde. „Soo groß muss das klingen! Riesig! Wie eine Mischung aus Madonna und Depeche…“, rief Johnson damals mit weit gespreizten Armen und der neuen Motivation, endlich den internationalen Markt zu erreichen – setzte sich auf einen Stuhl und begann, mit einer akustischen Gitarre Folksongs vorzusingen. Kvints Aufgabe war nicht leicht zu lösen, aber trotzdem schaffte er es, aus den leisen Rohversionen volltönende Poptracks zu machen. Als der Nachwuchsproduzent Skandinaviens jedenfalls ermöglicht Kvint seinem Schützling Andreas Johnson einen gelungenen Start.