Open Air St. Gallen Sittertobel, St. Gallen


Neben gutem Programmgeschmack präsentierte das charmanteste Festival der Schweiz viel Vorgeschmack auf kommende Platten. Vieles mundete gut, aber nicht alles.

Die Anlaufzeit war kurz: Nachdem die Altpunks Bad Religion mit einem mitreißenden Konzert voller Hits aus ihrem breiten Repertoire das Festival am frühen Freitagabend auf Betriebstemperatur gebracht hatten, sorgten die Manie Street Preachers für ein erstes Highlight. Dann zeigte Lenny Kravitz, warum man ihn zu Beginn der Neunziger noch lieben konnte, danach aber lieber den Radiodudlern überließ. Sein cremeschnittiges Konzert war zwar ganz nett, wirklich vermisst hätten es wohl aber nur die wenigsten.

Am frühen Samstagabend dann der vermeintliche Höhepunkt des Wochenendes in Person von Beck, der mit vierköpfiger Band und dem Material seines grandiosen neuen Albums modern guilt in die Ostschweiz gereist war. Optisch erinnerte er mit den langen Haaren und der bunten Sonnenbrille an den jungen Proto-Slacker, der vor rund 15 Jahren die Musikwelt mit grenzenlosem Ideenreichtum zu erfrischen begann. Doch elf Jahre nach seinem letzten Auftritt in St. Gallen zeigte sich der Tausendsassa-oder Siebesiech, wie man in der Schweiz sagen würde-erstaunlich leb-und zwischendurch fast schon lustlos. Die Songs plätscherten allzu oft harmlos und ohne die von einem Künstler seines Kalibers erwarteten oder zumindest erhofften Überraschungsmomente dahin, als hätte er seinen Kreativdrang im Studio liegen lassen. Dass man hinterher dennoch und mit gutem Gewissen behaupten konnte (oder doch irgendwie unbedingt behaupten wollte?), ein gutes Konzert gesehen zu haben, spricht für ihn.

Zum Abschluss des samstäglichen Programms auf der Sitterbühne lieferten The Prodigy einen dezent in altbekannte Hits verpackten Vorgeschmack auf ihr kommendes Album. Auch wenn man das vor zehn Jahren aufregender gefunden haben mag: Tatsache bleibt, dass The Prodigy an einem guten Tag, wie sie ihn in St. Gallen ganz offensichtlich hatten, live eine Granate sind, deren Sprengkraft so manchen locker von der Bühne bläst. Die Sternenbühne lockte dann noch bis tief in die Nacht mit einheimischer Kost, doch so sehr der Geist noch erleben wollte, so wenig konnte das Gehirn aufnehmen und sich später daran erinnern.

Bis Sonntagmittag hatte sich das Gelände allmählich in eine Wüste verwandelt, dem nur durch zwei Nächte unterbrochenen gnadenlosen Dauersonnenschein sei Dank. Vor dieser Kulisse setzten die southern rockenden Kings Of Leon zu einem kleinen Triumphzug an. Die Predigersöhne schienen sich in der Hitze königlich wohl zu fühlen. Sie spielten sich schnörkellos durch ihrSet und servierten ein Potpourri aus altem und neuem Material, das ihnen vom Publikum trotz erster Überfütterungs-und Überhitzungssymptome genüsslich aus der Hand gefressen wurde. Mit dem Versprechen, als das wir die neuen Songs dankend aufgenommen hatten, lässt sich freudig auf die neue Platte warten.

Schließlich brachten Gossip die Sternenbühne nochmals zum Kochen und setzten mit einem entfesselten Gig, dessen grandioses Finale „Standing In The Way Of Control“ in Beth Dittos Bad in der aufgeschäumten Menge gipfelte, einen fulminanten Schlusspunkt unter ein Wochenende, das als Ganzes ein dickes Ausrufezeichen verdient hat. Hier:!

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