Pankow & Red Army


Selbst eiserne Vorhänge werden irgendwann löchrig. Warum gerade in Sachen Popmusik zwischen den beiden deutschen Staaten Funkstille herrschte, war ohnehin nicht einzusehen. Umso mehr freuten wir uns über folgenden Konzertbericht, den uns das Ostberliner Journalisten-Team Ralf Dietrich und Uli Pschewoschny schickte. – Die Redaktion

Während die bundesdeutsche Untergrund-Guerilla zum großen Sturm auf die Hitparaden rüstet, sammelt sich im anderen Teil Deutschlands die klingende Ausgeflipptheit.

Jüngste Musikhistorie wird ohne Rücksicht auf Verluste aufgearbeitet. Viele Etablierte stehen diesem Phänomen ignorant oder hilflos gegenüber, beginnen die Flucht aufs Altenteil oder suchen in selbstgewählter Klausur mit dem wiederholten Überprüfen des Kontostands ihren inneren Frieden.

Die fünf Musiker von Pankow hingegen gehen wieder einmal einen anderen Weg. Das große Geld haben sie in der Vergangenheit eh nie gemacht, Speck an den Hüften noch immer nicht angesetzt. Also wieder raus auf die Straße und auf die Bühnen.

Das Konzept für diese Tour entstand per Zufall. Als eines Abends Ende April verschiedene neue Bands in Ostberlins Rock-Club Nr.1 „Langhansstraße“ (gute Adresse!) auftraten, standen plötzlich als „Pausenfüller“ 16 Musiker in grüner Armee-Uniform auf der Bühne und legten mit dem Bigband-Sound von Glenn Miller los. Den nichtsahnenden Kids standen die gefärbten Haare zu Berge. Das war der Kick! Für die Pankow-Musiker stand danach fest: Mit dieser Red Army Band gehen wir auf Tournee.

Und es klappte: Nach Bewältigung aller bürokratischen Ungewohnheiten ging das Ereignis (eine Woche vor dem großen deutsch-deutschen Happening im Westberliner Tempodrom) über die Freilichtbühne des Ostberliner Friedrichshains – mit insgesamt 19 swingenden, groovenden Profimusikern der Vereinigten Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und dem Evergreen „In The Mood“ als idealem Opener. Da tanzten die Typen vor der Bühne, und vom ersten Augenblick an zischte der berühmte Funke zwischen Publikum und Orchester. Selbst bei der „Sentimental Journey“ blieb keine Träne im Knopfloch hängen. Nach dem „Chattanooga Choo-Choo“ hatte die Armee erst mal Pause, und Pankow okkupierte die Bühne. Leicht haben es sich die fünf Musiker im DDR-Rockalltag nie gemacht. Sie schwammen schon lange gegen den Strom und bliesen in ihren Texten zum Aufbruch gegen den deutschen Alltagstrott. Da die Pankower von Anfang an eine Mischung aus New-Wave-Härte und gitarrendurchwirkter Verfeinerung kultivierten, gerieten sie im Gegensatz zu vielen DDR-Rockgrößen nie in Gefahr, als musikalische Dinosaurier durch die Gegend zu stampfen. Deshalb spulte Pankow auch im Friedrichshain die Riffs nicht einfach so runter, sondern inszenierte gekonnte Spannungsbögen, bis die Klangfeder unter vibrierender Rockigkeit nur so surrte. Sänger Andre Herzberg ist noch immer der stimmliche Charakterdarsteller, während Jürgen Ehle an der Gitarre schleifende Licks in Keith Richards-Verehrung druch die Verstärker schickt. Nach zwei Stunden und einer Zugabe mit den „Honky Tonk Women“ im Bläsergewand gab es jedenfalls frenetischen Beifall. Und das will schon was bedeuten, nachdem das DDR-Publikum mittlerweile von westlicher Pop-Prominenz, angefangen bei den Rainbirds, Bryan Adams, Big Country bis ihn zum Boß Bruce Springsteen, verwöhnt wurde.