Paulas Popwoche: Erst die Männer, dann die KI
Paula Irmschler fragt sich in ihrer Kolumne, ob man Männer durch KI ersetzen könnte?
Jetzt mal angenommen, man ist eine Person, die Popkultur liebt. Die ganz großen Gesten, die funkelnden Stars, die fetten Produktionen in Film, Fernsehen und Stadien, gemeinsam mit der Masse etwas zu feiern, aufzugehen, so richtig dabei zu sein, die Kunst, das Spektakel, tolltoll! Man erzählt auch gern davon! Man diskutiert, teilt, streitet, will überzeugen: Hey, das ist geil aus dem und dem Grund, und das wiederum ist ja wohl voll der Schund! Und dann hat man zum Beispiel Zugang zum Internet und deswegen ständig Input, was diese ganze aufregende Popkultur, aber auch was die Leute dahinter angeht. Ihre Bilder, ihre Aussagen, Gossip über sie, Skandale. Und da man die Popkultur ja so liebt, will man das auch alles wissen; es reichert das Tolle ja vielleicht noch an!
Naja, und dann ist es aber so, dass, wenn man das schon lange mitmacht und immer wieder Sachen über Stars erfährt, man es vielleicht einfach nicht mehr erträgt, immer wieder neuen Scheißdreck über Leute wie zum Beispiel Männer zu erfahren. Über erwachsene, erfolgreiche, reiche, mächtige Männer und wie sie eine Schneise der psychischen und physischen Verwüstung bei Frauen und Mädchen hinterlassen. Weil sie sie beleidigen, betatschen, belästigen, missbrauchen, you name it. Vielleeeicht hat man da irgendwann einfach keinen Bock mehr drauf – und schon gar nicht mehr darauf, darüber zu schreiben oder überhaupt nur nachzudenken, weil irgendwann ist ja auch mal gut.
Zum Beispiel, weil bereits das echte Leben voller Schurken ist und man das in der Popwelt, in die man sich ja eigentlich zur Ablenkung flüchten will, keinen Tag länger ertragen kann – und DANN erwischt man sich unter Umständen dabei, dass man sich fragt, ob diese ganzen Männer nicht einfach … sagen wir mal, verschwinden könnten. ABER WIE?
Denn während ganz viele zurzeit völlig zu Recht diskutieren, wie KI die Kunst und Unterhaltung gefährdet, uns alle manipuliert und unsere Wahrnehmung und das Soziale beeinträchtigt, könnte man sich ja auch mal fragen, wie sehr das eigentlich Männer in der Kunst und Unterhaltung tun. Wie sehr sie uns eigentlich die ganze Zeit schaden, wie sehr sie uns Tage und Leben versauen, wie sehr sie eigentlich ständig ungefragt in unsere Feeds gespült werden und was wir dagegen tun können. Ob man vor ihren Inhalten nicht warnen sollte.
Wenn man sich mal so anguckt, was berühmte Männer gerade mal wieder alles so machen … Frauen auf der Bühne betatschen, Minderjährige groomen, komplexe Zuführungssysteme etablieren, um Fans zu missbrauchen, im Internet ausflippen, weinerliche Dokus über sich drehen lassen, in denen man sie dabei beobachten soll, wie sie an ihrer Gewalt gegenüber Frauen in ihrem Leben leiden …
Dann denke ich mir, dass wir vielleicht, rein theoretisch, erst mal Männer loswerden könnten. Zum Beispiel könnte man sie durch KI ersetzen! KI in feministische Hände geben und dann erst mal Männer prompten, die keine kompletten Vollschweine sind. Einfach nur FOR FUN. Wir bauen uns die respektvollsten, coolsten, normalsten Typen, die nicht zu viel labern, die ihre Griffel bei sich behalten, die gleichaltrige Leute daten, die wir nicht in biografischen Dokus sehen müssen … Die etablieren wir dann in den Charts, Filmen und Podcasts … um sie dann jederzeit abschalten zu können! Rein theoretisch.
Dabei hasse ich KI! Und finde, sie gehört abgeschafft und eingedämmt und geächtet! Aber wenn man sich entscheiden müsste …
Männern KI zu entreißen, ist sowieso schon mal alternativlos. Es kommt ein Fall nach dem nächsten ans Tageslicht, bei dem Männer KI benutzt haben, um Deepfake-Pornos von Frauen herzustellen oder sexuelle Gewaltfantasien gegenüber Chatbots rausgelassen haben.
Und dann gibt’s auch noch so was Schlimmes:
Platz 1 der „Billboard Country Digital Song Sales“-Charts! Wow! Aber immerhin wird das Gesicht von diesem KI-Typ niemals in meine Timeline gespült werden mit der Schlagzeile, dass er eine 15-Jährige missbraucht hat, ich sag nur, wie es ist!
Da kann sich Paul McCartney mit seinen 1000 anderen Artists noch so mit seiner Stimmungsmache gegen KI bemühen … Die haben sich nämlich gegen ein britisches KI-Gesetz zusammengetan und Anfang des Jahres ein Album veröffentlicht, auf dem nur Geräusche zu hören sind. Das Ding heißt „Is This What We Want?“ und die Message ist: Ohne uns Künstler gibt es nichts, was Unternehmen mit ihren KIs verwursten könnten, was eben jenes Gesetz erlauben will. Und McCartney hat für die Vinyl-Version jetzt eben noch einen (stillen) Track nachgelegt. Ich würde ihn euch verlinken, aber es gibt ihn eben nur auf Vinyl und er ist ja eh still, ihr könnt’s euch also vorstellen.
Stattdessen gibt es an dieser Stelle lieber dieses Lied von Sabrina Carpenter!
Klingt Sabrina Carpenter manchmal wie KI oder sieht sie so aus? Vielleicht! Aber sie singt auch den wunderbaren Satz: „I get wet at the thought of you being a responsible guy.“
Also, wir wissen längst, was Männer alles anrichten. Und mit KI in der Hand wird’s noch schlimmer. Nichts weniger als die Zerstörung der Zivilisation steht uns bevor, wie auch der Film „Mountainhead“ von Jesse Armstrong versucht hat, satirisch durchzuspielen.
Vier Superreiche treffen sich, sie sind alle in KI-Geschäfte verwickelt, die Welt geht zugrunde, und sie überlegen sich, wie sie das für ihre Interessen nutzen können. Coole Idee, coole Schauspieler, leider aber total langweilig. Sogar Satire über KI-Männer ist stinklangweilig und trist. Is this what we want? NEIEN!
Wie bereits die Schriftstellerin Joyce Carol Oates in ihrem Burn gegen Elon Musk ausführte, sind das nur hohle Gestalten.
Also lasst sie uns verdrängen, erst die Männer, dann die KI. Nur so eine Idee. Bald mehr.
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.




