Paulas Popwoche: Taylor Swift, Social Freezing und der ewige Jugendkult
Was Social Freezing mit Taylor Swift, Pudding und Pop zu tun hat – Paula Irmschler blickt auf Jugendkult, Liebe und Streaming-Wahnsinn.
Ich hab ein neues Wort gelernt und war überzeugt, es sei sowas wie Bed Rotting, Quiet Quitting oder Digital Detoxing. Social Freezing als Reaktion auf Scheißkram in der Welt. Social Freezing – wir hören auf, neue Leute kennenzulernen. Oder Social Freezing – wir erstarren in Anwesenheit anderer, wir dissoziieren. Oder Social Freezing – wir tuppern mit Schatzi unsere Mahlzeiten für nächste Woche ein, weil wir uns damit nicht länger aufhalten wollen. Oder Social Freezing – die Art, wie wir angehalten sind, uns zueinander zu verhalten, im eiskalten Kapitalismus, in dem das Zwischenmenschliche immer zugunsten von Profit geopfert werden soll. Spaß, ihr wisst es vielleicht: Es heißt, dass man als Person mit Uterus, die vorhat, irgendwann mal schwanger zu werden, ihre Eizellen einfriert – für den Fall, dass sie irgendwann nicht mehr richtig „funzen“.
Irgendwann kommt man nicht mehr richtig mit, und es ist zufällig genau in dem Alter, in dem man halt darüber nachdenken soll, seine kleinen Eizellis einzufrieren. Mitte 30! Ich bin es, Taylor Swift ist es bekanntermaßen auch. ACHTUNG, ICH WERDE NICHTS ZU DEM ALBUM SAGEN (das hat Rebecca Spilker schon wunderbar übernommen), nur dazu, dass ein vielgemachter Vorwurf (von vielen anderen, neben vielen Lobpreisungen jedoch – also alles wie immer) war, dass Swift jetzt mal erwachsen werden soll und nicht wie eine Teenagerin daher singen und klingen soll. Checkst du (Jugendwort des Jahres)? Ich checke. Ja, es ist alles ein bisschen sehr weich und dullig und Max Martin und sowas, aber sie ist verliebt – und wurde uns nicht immer angeraten, uns, wenn verliebt, wie Teenager zu verhalten? Also bitte. Und apropos: In meiner Jugend waren Jugendwörter mal nur ein Wort.
Pudding-Hype
Jugendkultur-Hypes hinterherrennen sollte man natürlich nie, wenn man nicht auf natürliche Weise in sie reingestrudelt wird – zum Beispiel in die neuerdings allseits besprochene Pudding-Challenge, zu deren Anlass man sich zuhauf trifft, um mit Gabeln Pudding zu essen. As you should! Ich hab zum Beispiel Pudding und Milchschnitte ab und an mit der kleinen Seite vom Löffel gegessen, also mit dem Stiel, für noch mehr Genuss. Allerdings war ich dabei alleine und nicht mit vielen Leuten im Park … Uncoole Geschichte. Hingegen: Zusammenkommen, Quatsch machen – das ist doch gut und das Gegenteil von Social Freezing in jeder vorstellbaren Definition.
„Euphorie“
RTL+ macht aber lieber die Hinterherrennen-Challenge mit und hat tatsächlich einen deutschen Ableger von „Euphoria“ drehen lassen, namens „Euphorie“. Und während ich mir sonst noch jeden Schnulli reinfahre, um zumindest hier darüber zu lästern, kann ich mich diesmal wirklich nicht überwinden, einzuschalten. Das amerikanische „Euphoria“ hat doch schon genug angerichtet! Drogen als gefährlich-hippe Weltflucht darstellen, die Pornofizierung von Teenagern und die lamen Handlungsstränge, die nirgendwo hinführen – what’s not to hate? Eigentlich kann die deutsche Version da nur besser sein, wenn ich nochmal darüber nachdenke … Falls jemand seinen Account teilen möchte: Die DMs sind offen. Oder ich gucke lieber nochmal die guten Serien „Druck“ und „Para – Wir sind King“.
Mariah Carey
Aber erstmal muss ich chillen. Während derzeit ständig ausgedudelt wird, wer wo auftreten darf – Israel beim ESC, Chefket im HKW, Bad Bunny beim Super Bowl, Robbie in Istanbul, amerikanische Comedy-Stars in Saudi-Arabien –, freeze ich mich social lieber ein mit meinem aktuellen Lieblingsalbum von einer noch viel erwachseneren Frau als wir Mitdreißiger*innen: Mariah Carey, die auch verliebt zu sein scheint.
Ich freeze und shake und liebe mit ihr, bis sie bald wieder „All I Want For Christmas“ anstimmt.
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