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„Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen“-Kritik: Faschisten mit Zauberstäben


Der Aufstieg von Populisten und Faschisten, versinnbildlicht durch Magie und Drachen. Joanne K. Rowling erzählt eine starke Geschichte, verwässert sie aber mit zwanghafter Anbiederung an die „Harry Potter“-Fans der ersten Stunde.

 

Nachdem die Geschichte um den Zauberschüler Harry Potter, nach sieben Büchern, acht Kinofilmen und zuletzt einem Theaterstück mitsamt käuflich zu erwerbendem Drehbuch (finanziell) ausgewrungen war, begann Joanne K. Rowling 2016 mit der nächsten großen Erzählung in ihrer „Wizarding World“. In „Phantastische Tierwesen“, so der sperrige Name der neuen Filmreihe, geht es zurück in die 1920er, in denen in fünf Filmen die Geschichte eines Konflikts in der Welt der Zauberer erzählt wird, der sich parallel zum Aufstieg der Faschisten in Europa und dem Zweiten Weltkrieg abspielt, der im nun erscheinenden zweiten Film der Reihe bereits seine Schatten vorauswirft.

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Rowling, allein verantwortlich für Geschichte und Drehbuch, und ihr Hofregisseur David Yates erklären im ersten Akt von „Grindelwalds Verbrechen“ den letzten des Vorgängerfilms für irrelevant. Der von Johnny Depp gespielte Magier Grindelwald wurde darin unter großen Kraftanstrengungen in New York enttarnt und in eine Zelle gesperrt. Auf dem Gefangenentransport nach England kann Grindelwald dann (überraschend einfach) fliehen und setzt sich nach Paris ab. Dort vermutet er in dem jungen Zauberer Credence (Ezra Miller) eine mächtige Waffe, mit der er die Macht in der Welt der Zauberer ergreifen kann. Richtig gelesen: Er sucht den Credence, der im Finale des ersten Films 2016 angeblich gestorben ist.

Johnny Depp als Verführer und Faschist

„Grindelwalds Verbrechen“ holt so ziemlich alle Figuren aus dem ohnehin schon komplexen ersten Film zurück und ergänzt das Ensemble durch Neuzugänge wie Theseus Scamander (Callum Turner) und den aus Potter bekannten Albus Dumbledore, dessen jüngere Version überzeugend von Jude Law verkörpert wird. Dicht drängen sich mittlerweile etliche kauzige, gefährliche oder schlichtweg überflüssige (Tina Goldstein) Figuren in Rowlings Welt, die dadurch zwar beseelt, aber auch unübersichtlich wirkt. Die Fülle an Informationen, Familienbanden und Beziehungen sorgt außerdem dafür, dass die eigentlich ganz wunderbare Kerngeschichte verwässert wird.

Denn eigentlich will „Phantastische Tierwesen“ in fünf Filmen nur auf den Showdown zwischen Albus Dumbledore, dem mächtigsten Zauberer überhaupt, und Grindelwald hinaus. Aus den Potter-Büchern war von einem epischen Duell der ehemals ineinander verliebten Magier die Rede, bei dem Dumbledore die Schreckensherrschaft des Faschisten beendet. Grindelwald (eigentlich ein Verführer, was Johnny Depp aber nur halbwegs transportiert) möchte die reinblütigen Magier aller Länder vereinen und das sogenannte „Schlammblut“ sowie die Nicht-Magier unterjochen.

Dumbledore wird im nächsten „Phantastische Tierwesen“-Film nicht als schwul auftreten

Der Aufstieg Grindelwalds wird im aktuellen Eintrag der Reihe gezeigt, zumindest ein Teil davon. In Paris ruft der blonde Hexer, der seinen Sitz übrigens in Österreich hat (die Metaphern sind unübersehbar) die Gemeinschaft der Zauberer zusammen und stellt sie nach einer flammenden Rede und einer Zukunftsvision, in der Szenen des Zweiten Weltkriegs zu sehen sind, vor die Wahl: Schließt Euch mir an oder werdet meine Feinde! Wer Grindelwald folgt und wer nicht, das sorgt nicht nur für Überraschungen, sondern zeigt glaubwürdige Parallelen zur Gegenwart, in der seit Jahren wieder Menschen aus allen Schichten Rechtspopulisten und Menschenfängern in die Arme laufen. Selbst wenn sie damit Freundschaften und soziale Gefüge sprengen. Im Film findet sich sogar das Äquivalent zu der jüdischen Bewegung innerhalb der AfD, wenn man so will.

Die Geschichte um den Aufstieg des Bösen ist nicht nur mit genug Emotion erzählt, sondern auch in großes Kino verpackt. Kaum ein Film des aktuellen Jahrzehnts sah so schön und detailversessen aus wie „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“. Der Look der späten 1920er lässt sich fantastisch mit dem nostalgischen Design kombinieren, das der Potter-Reihe schon immer innewohnte. Paris hat unter der Regie von David Yates eine Ausstrahlung wie schon lange nicht mehr. Wenn ein Zirkus in den Straßen der Stadt Halt macht und diverse magische Kreaturen unter großem Trara ausbüxen und von Newt Scamander eingefangen werden müssen, dann werden zwangsläufig die Augen im Kinosaal größer.

Apropos Newt Scamander. Der von Eddie Redmayne gespielte Experte für „Phantastische Tierwesen“ soll auf dem Papier immer noch die Hauptfigur der Filmreihe sein, verkommt aber trotz aller Sympathien, die Redmayne dem Publikum abringt, zum wandelnden Drehbuchkniff. Newt war mal in die in diesem Film besonders wichtige Leta Lestrange (Zoë Kravitz) verliebt, ist bereits im 2016er Erstling der Reihe in Credence reingelaufen und war der Musterschüler von Albus Dumbledore, für den er jetzt auf Missionen geht. Durch all diese Verbindungen ist Redmayne zwar in jedem Handlungsstrang involviert, es bleibt aber trotzdem das Gefühl, dass man ihn im Zweifelsfall komplett aus „Grindelwalds Verbrechen“ streichen könnte und die Geschichte um den heraufziehenden Krieg der Menschen und Magier immer noch Sinn ergibt.

Ähnlich verhält es sich mit Credence, dessen Rückkehr die vielleicht misslungenste Idee in Rowlings Gesamtwerk ist. Der verschüchterte junge Mann läuft treudoof jedem hinterher, der Hinweise auf seine wahren Eltern hat und trägt dabei eine scheinbar grenzenlose, zerstörerische Energie in sich. Grindelwald möchte diese Energie auf seiner Seite wissen, die faschistische Revolution startet er aber auch ohne ihn, was Credence zumindest für diesen Teil der Reihe völlig entwertet. Der Clou folgt in der allerletzten Szene und liegt im wahren Namen der Figur, der hier natürlich nicht verraten wird: Credence ist nur wandelnder Fanservice und steht dafür sinnbildlich für das größte Problem der noch jungen Filmreihe „Phantastische Tierwesen“.

Zugunsten von Kurzauftritten von aus „Harry Potter“ bekannten Figuren oder deren Eltern, bringt sich Rowling immer wieder von der Geschichte ab, die sie mit der neuerlichen Filmreihe eigentlich erzählen will. Wenn sich „Grindelwalds Verbrechen“ nach mehr als einer Stunde die Zeit nimmt, um der Handlung nicht zuträgliche Szenen mit der jungen Professorin McGonagall einzustreuen, dann steht die eigentliche Geschichte in Wirklichkeit komplett auf der Stelle und wirkt schlichtweg länger, nicht spannender oder interessanter. Die vielen Verknüpfungen zu der erst Jahrzehnte späteren startenden Potter-Geschichte mögen zwar die Nerds im Publikum kurz erfreuen, letztendlich verhindern sie aber, dass „Grindelwalds Verbrechen“ der fantastische Film wird, der er hätte sein können. Hoffentlich zeigt Rowling beim nächsten Mal mehr vertrauen in ihr eigenes, neues Material.

„Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ startet am 15. November in den deutschen Kinos. Die weiteren drei Filme der Reihe erscheinen im Takt von zwei Jahren bis 2024. 

Warner Bros.
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