Phil Manzanera + 801


Natürlich kam als erstes die Journalisten-Standardfrage nach dem Tod von Roxy Music. Phil zuckte mit den Schultern: „Es gibt da gewisse Gründe, warum wir im Moment keine Platten zusammen aufnehmen können. Und falls wir uns alle dazu entschließen könnten,, mit Roxy weiterzumachen, dann nur unter der“ Bedingung, daß auch Bryan dabei ist. Und das ist im Moment ziemlich unwahrscheinlich. Bryan ist in Amerika, und ich habe mit ihm vor etwa einem Monat gesprochen, weil wir das Greatest Hits-Album zusammenstellen mußten. Es hängt einfach davon ab, ob wir wieder alle ein freundschaftliches Verhältnis zueinander finden können. Im Augenblick ist keiner so wirklich verrückt danach.“

In der neuen 801-Band spielen neben Phil Simon Ainley (Gesang, Gitarre), Paul Thompson (Schlagzeug), Bill MacCormick (Bass, Gesang), Dave Skinner (Keyboards, Gesang); in London waren noch Lol Creme und Kevin Godley (früher bei lOcc) als Sänger dabei. Eno war wegen Krankheit ausgefallen. Schade, denn seine naivleichtverspielte Art hätte dem Konzert sehr gut getan. Warum hat Phil sich entschlossen, eine feste Band aus 801 zu machen, und warum in dieser Besetzung? „Als das Album fertig war, hatte ich eine Menge Zeit zum Nachdenken und kam zu dem Entschluß, das ganze auf Tournee zu bringen, weil ich mit dem Album sehr zufrieden war. Außerdem fand ich es gut, auf Simon Ainleys Gesang aufzubauen, der sich wie ein roter

Faden durch das Album zieht. Die Band vom letzten Jahr lebte nur kurz, das wußten wir schon anfangs, weil alle Leute feste Verpflichtungen hatten. Aber Andy Mackay zum Beispiel wird bei ein paar Konzerten Sax spielen; Eno, wenn er wieder gesund ist, wird sicher auch bisweilen auftauchen, ebenfalls Eddie Jobson, das soll eine ganz lockere, offene Sache bleiben. Sowas kündigen wir auch nicht auf den Plakaten an.“

Das neue Album sei viel softer, melodiöser und Poporientierter als das Live-Album und stellenweise sehr von lOcc beeinflußt, erklärte ich Phil. „Ja,“ meinte er, „das Album ist ein bißchen überproduziert, es haben so viele Leute mitgemacht, Freunde die vorbeikamen, Split Enz etwa; auf der Bühne ist alles viel rockiger. Aber ich brauche Abwechslung, und ich glaube, 801 braucht das auch. Die neue Single, die wir live aufzeichnen werden, ‚Remote ControF ist wieder ganz anders.“

Tatsächlich war „Remote Control“ im 801-Konzert die Nummer, die mich am meisten mitgerissen hat; mit einem schnellen Punk-Off-Beat und Chorgesang klingt sie sehr nach New Wave und läßt eigentlich auf einen wieder mehr experimentellen Sound hoffen. „Wir haben auch, obwohl wir fast ausschließlich in kleinen Universitätssälen spielen, immer ein paar Punks im Publikum“ ergänzte Phil. „Ich glaube, daß dieses New Wave-Phänomen, nicht die Musik, nur der Habitus, bald zu einem Ende kommen wird. Und die guten Bands, die’s ja gibt, werden übrigbleiben.“

Während die Musik mich beim Konzert stellenweise enttäuschte, obwohl exzellente und geschmackvolle Gitarrensoli und -duette von Phil Manzanera und Simon Ainley auffielen, sind die Texte wieder durchweg absurdverrücktes Zeugs, das man gerne hört. Dazu Phil: „Ian MacCormick, Bills Bruder hat die Texte geschrieben. Er war mal Journalist und wir kennen uns alle drei seit über 10 Jahren. Manches haben wir direkt aus dem Stegreif gemacht, und das war auch das Beste, zum Beispiel ,City Of Light‘.“

Warum spielt 801 in so kleinen Hallen? „Diese ist hier die größte auf der ganzen Tour, an den Luxus einer so großen Bühne sind wir gar nicht mehr gewöhnt. Es macht einfach Spaß, so nah bei den Leuten zu sein, und die Reaktionen sind fast wie in den ersten Tagen von Roxy Music. Mit Bryan und Roxy und den ganzen Tourneen haben wir einfach den Kontakt zum Publikum verloren; bei uns aber hängen alle Leute in der Garderobe rum und diskutieren, es ist wie eine endlose Party.“ Wird die Gruppe nicht ständig mit dem Sound der ersten LP konfrontiert? „Schon, aber wenn uns die Leute gehört haben, dann stehen sie zu der neuen Sache genauso.

Überraschender Erfol g für 801 in den USA

Wir sind halt sehr flexibel und einiges wird sich immer ändern, außerdem haben wir ja „Miss Shapiro“, „You Really got Me“ und „T.N.K.“ noch im Repertoire. Und mit dem Erfolg der Live-LP hat auch keiner von uns gerechnet. Als der eintraf, waren wir bereits alle mit anderen Dingen beschäftigt, und Eno will sowieso nicht fest in einer Gruppe arbeiten. In Amerika z.B. war das Live-Album 6 Monate auf der Import-Chart, weil’s die Plattenfirma nicht veröffentlicht hatte, und in Australien war es in den Top 30, obwohl eigentlich Bryan Ferry dort der populärste Erbe von Roxy Music ist.“

Die Bühnenpräsentation von 801 ist sparsam, fast untertrieben kühl und utopisch. Ein schwarzer Vorhangkubus, der mit Neonlicht farblich verändert wird, davor ein Batistvorhang, durch den man anfangs die Musiker nur als Schemen wahrnimmt, und ein stets sehr kühles, klares Licht, in dem die Musiker mit ihren weißen Raumfahreroveralls wie die Herren vom Raumschiff Enterprise stehen. „Tja, Geld hatten wir kaum für Effekte“, meinte Phil, „aber ein bißchen was mit Pfiff mußte schon her. Vorher hatten wir noch so unsichtbare Linien auf dem Vorhang, die durch das Neonlicht sichtbar wurden und eine Art Zeittunnel schafften, das ist leider kaputt gegangen.“