Pop Art


Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz

22. März 2011, iTunes-Single-Charts: Jennifer Lopez feat. Pitbull, „On The Floor“

Die Menschen müssen taub sein. Aber so funktioniert ja Musik: Am Anfang, wenn man noch jung und dumm genug ist, steht das Entsetzen darüber, dass die anderen nur Schrott hören und mögen. 99 Prozent der Musik da draußen, so denkt man, ist doch Müll. Also sucht man nach der kleinen Gemeinschaft der Gleichgesinnten, Gleichhörer, die wie man selbst das eine Prozent Schönheit und Wahrheit gefunden haben im Abfall der Welt. Ausschluss ist der Mechanismus, der wirklich Freude macht bei der Musik, deshalb hat Fantum ja mitunter etwas Geschmacksrassistisches. Die Frage ist dann bloß, ob man den Moment als größte Enttäuschung oder als größte Genugtuung erlebt, da man in einer Mehrzweckhalle unter zig Gleichgesinnten, Gleichhörern steht und begreift: Ich bin einer von vielen.

Jennifer Lopez hat in einem solchen Moment ihre Bestimmung gefunden. Bei einer Schulaufführung im Publikum, als das Mädchen Jenny plötzlich wusste, sie will da hoch, auf die Bühne, die sollte ihr Platz sein im Leben. Die Geschichte hat sie einem selbst erzählt, vor einem Jahr, als man noch dachte: Die Einzige, die nicht verstanden hat, dass es echt aus und vorbei mit ihr ist, das ist Jennifer Lopez selbst. Das Mädchen Jenny also übersprang einst einfach die Frage, ob sie sich wohl fühlte oder nicht dabei, eine von vielen zu sein – sie wollte nie Fan sein, sondern gleich die, deretwegen viele in eine Mehrzweckhalle kommen. Auch deshalb wohl hat sie sich nie mit Geschmacksfragen aufgehalten: Ihre Story war von Beginn an der Erfolg und nichts sonst; der Weg und die Mittel dahin waren reiner Zweck, nicht so was Bourgeoises, letztlich Esoterisches wie Selbstausdruck, Künstlerdasein.

Insofern war sie immer schon die perfekte Kandidatin für den Augenblick, da man mal feststellen wollte: Was wohl ist das geschmackloseste Lied, das man sich nicht mal in seinen schlimmsten Alpträumen hätte vorstellen können? „On The Floor“ ist es. Die Idee allein, die Melodie von „Lambada“ nachzuspielen, die ist schon irrsinnig genug, aber das ist ja nur ein winziger Teil dieses großartig stumpfen Machwerks, das neben den beiden „Lambada“-Komponisten ausweislich der Credits sensationelle sechs Songschreiber brauchte.

Und die Menschen lieben es. Jennifer Lopez, so kann man es auch sehen, ermöglicht erst und wieder, dass die, die nicht zu den Tauben gehören wollen: hören. Was anderes, klar.