Portishead: Flotter Viertakter


Nach einem Blitzstart mit der ersten Platte gehen Portishead als Quartett in Runde zwei.

Zweieinhalb Millionen verkaufte Platten! Und das, obwohl die USA das Werk konsequent ignorierten. Nach dem überwältigenden Erfolg ihres Debütalbums „Dummy“ wußten Portishead aus England erst mal nicht weiter.“Zunächst wollte ich alles anders machen“, erinnert sich Geoff Barrow.“lch hab mit neuen Instrumenten und anderen Herangehensweisen experimentiert, weil ich dachte, daß man das von uns erwartet. Doch nach einigen schrecklichen Monaten merkte ich, daß das zu nichts führte. Schließlich wurde mir klar, daß es idiotisch gewesen wäre, einen völlig anderen Weg einzuschlagen, nur weil einige Leute es gern gesehen hätten. Immerhin hatten wir für ‚Dummy‘ einen sehr eigenen Sound gefunden, und wieviele Bands können das schon von sich behaupten?“

Auf „Portishead“, so der schlichte Titel des Nachfolgewerks, gibt es denn auch keine bedeutende Richtungsänderung. Portishead machen das, was sie am besten können.- einen betörenden Mix aus Slow-Mo-HipHop-Beats, verführerisch verstörtem Gesang und – diesmal live eingespielten-Streichersätzen. Auch die ungewöhnliche Produktionsweise hat die Band aus dem Südosten Englands beibehalten. Zunächst nahm Geoff Barrow Song-Fragmente und einzelne Sounds auf. Dann ließ er sich eigens eine Vinyl-Kopie davon anfertigen, sampelte anschließend sämtliche Versatztstücke und arrangierte sie am Computer. Zwei weitere Platten wurden noch zusätzlich für das Scratching verwendet. Doch trotz der vom HipHop abgeschauten Studioarbeit hat Geoff Barrow keinerlei Interesse, sein auf Vinyl gebanntes Rohmaterial für Remixe zur Verfügung zu stellen. „Die mache ich lieber selber. Unsere Songs bedeuten uns sehr viel, und wir haben keine Lust, sie fremden Leuten in die Hand zu geben“, meint Geoff Barrow. Eine Ausnahme würde er nur für sein persönliches Idol machen.“Wenn DJ Premier bereit wäre, einen Mix zu machen, würde ich sogar selbst hinfliegen, um ihm das Material zu übergeben.“

Auch wenn auf „Portishead“ im Großen und Ganzen alles beim Alten geblieben ist, gibt es dennoch einen Unterschied im Sound der Gruppe. Und der läßt sich am ehesten in der Stimmung der Platte orten. Portishead sind noch düsterer geworden. Es klingt, als seien sie diesmal nicht darum bemüht, Bond-Komponist John Barry die Arbeit wegzunehmen, sondern statt dessen David Lynchs langjährigem Hausproduzenten Angelo Badalamenti. „Ja, da könnte was dran sein“,scherzt Barrow,“immerhin hat Lynch kürzlich eines unserer Stücke für einen TV-Film eingesetzt.“ Anders als noch auf „Dummy“ ist die Anzahl der auffälligen (und deshalb klärungsbedürftigen) Samples diesmal gering. Es gibt einen Vocal-Schnipsel der Westküsten-Rapper The Pharcyde und eine geborgte Melodie aus „Inspector Clouseau“. Damit hat es sich. Ein Sample von Sean Atkins aus dem Jahre 1957 – wie im Booklet vermerkt – entpuppt sich als charmante Gesangseinlage eines befreundeten Möchtegern-Sinatras aus dem Jahr 1997. Waren Portishead bislang als das Duo Geoff Barrow und Beth Gibbons bekannt, so gehören nun auch noch die beiden anderen Musiker offiziell zur Band -Gitarrist Adrian Utley und Bassist Dave McDonald.“Wir waren noch ziemlich unerfahren, als ‚Dummy‘ herauskam, und haben einige Fehler begangen“, sagt Barrow, der im Unterschied zu Sängerin Beth Gibbons zwar Interviews gibt, sich aber nur ungern fotografieren läßt. „Dazu gehörte unter anderem, daß wir uns leider als Cocktail-Lounge-Duo vermarkten ließen. Dabei waren wir ein Quartett und sind es nun auch offiziell.“ Von den beiden Musikern, die bislang im Schatten von Barrow und Gibbons standen, hat vor allem Adrian Utley entscheidenden Einfluß auf die Musik von Portishead. Er war es, der das Soundtrack-Element in die Songs miteinbrachte und auch im Studio mit an den Reglern saß. Geoff Barrow: „Adrian ist der einzige in der Band, der in der Lage ist, Noten zu lesen. Bei den Aufnahmen zu unserem neuen Album war diese Fähigkeit wichtiger denn je, weil wir ja mit einem Streichorchester zusammengearbeitet haben.“ Man hat sich viel vorgenommen im Hause Portishead. Zum einen gilt es, an den Erfolg von „Dummy“ anzuknüpfen. Zum anderen sollen die USA erobert werden. Doch Geoff Barrow würde sich auch nicht beklagen, wenn der Rummel um die Band diesmal etwas geringer ausfiele als noch beim Debüt. „Wenn du erfolgreich bist, stehst du vor dem Problem, daß du auf einmal viel mehr Zeit mit Promotion verbringst als mit Musik. Das zu akzeptieren, fällt uns schwer. Am liebsten würden wir die meiste Zeit im Studio verbringen und die Musik für sich sprechen lassen.“