Propere Meister


Ihr eigenes Album läßt seit Jahren auf sich warten. Als Meister unter den Remixern sind die beiden Wiener Peter Kruder und Richard Dorfmeister aber schon jetzt echte Stars.

Popstars sind Ikonen sind Vorbilder sind Neidobjekte. Sie haben Geld, Sex und Jetset, sehen super aus und verzaubern Millionen. Aber mit wem, liebe Fangemeinde, wollen wir denn nun wirklich tauschen? Mit Mick Jagger und Michael Jackson aus Falten- und Nicht-Faltengründen doch wohl nicht; Thom Yorke und Richard Ashcroft haben offensichtlich nicht gerade viel Freude im Leben; Prince und George Michael fühlen sich ständig betrogen; und den Beastie Boys und Fugees geht’s zwar gut, sie können sich aber nie unbeschwert in der Öffentlichkeit bewegen. Bei Peter Kruder und Richard Dorfmeister dagegen stimmt alles. Sie sehen prima aus, machen lässige Musik, Vermögen und Hysterie haben menschliches Maß – und ihr Alltag besteht im Prinzip nur aus höflichem, aber bestimmtem Ablehnen diversester Anfragen. Es sei denn, Madonna ruft gerade an und bittet freundlich um ihre Dienste. Dann läßt man auch in Wien mal für ein paar Stunden und Tage den Kaffee kalt werden und begibt sich so lange ins Studio, bis es „proper“ ist.

Und das kann dauern. Denn es ist nun nicht nur so, daß der überschaubare Output der unbestrittenen Helden des eleganten Midtempo-Grooves einfach nur an ihrer Faulheit liegt – ganz im Gegenteil produzieren die heißbegehrten Wiener ziemliche Mengen. Es ist nur einfach so, daß es erst in die Welt hinaus darf, wenn’s wirklich gut ist – und das kann dauern. „Weil wir so schreckliche Perfektionisten sind“, wie Peter Kruder, der Mann mit dem feschen Musketier-Bart, selbstkritisch feststellt. Richard, sein blonder Kompagnon nickt: „Im Studio quälen wir uns wie die Vollidioten.“ Eine Praxis, aus der allerdings am Ende herrlich entspannte Musik entsteht, denn wer kann schon mehrere Wochen hintereinander ein aggressives Stück hören? Kruder: „Wir machen das nicht wie einige englische Drum ’n‘ Bass-Leute, die einen Track pro Tag produzieren. Da kannst du Aggressivität natür- ¿ lieh sehr gut verpacken und die Energie einfangen. Wenn du aber so lange an einem Stück sitzt, das hältst du nicht aus, da wirst du wahnsinnig.“ Dorfmeister:“Außerdem spielen Drogen da auch mit. Wenn du dauernd dein Coca ziehst,dann willst du es scharf und hart und laut.“

K& Dsind auf anderen Drogen. Und wir, die Welt der gestreßten Konsumenten, können ihnen für ihre filigrane Entspannungsarbeit natürlich nur danken-führt sie doch zu einem ganz besonders smoothen und doch nicht kraftlosen Fluß und allerbesten Beats & Loops in geschmeidig-geschmackvoller Verpackung. Alles super – bis auf die Platte, die CD, das verdammte eigene Album. Kruder & Dorfmeister dürften die einzige Gruppe der Musikgeschichte sein, die ohne eigenes Langspielprodukt seit Jahren weit oben im Popbiz mitspielen-ein Schmankerl, das mittlerweile durchaus zum Inbegriff K & D’scher Lässigkeit geworden ist. Wie überhaupt ihre Unabhängigkeit inklusive eigener Gestaltung und eigenem Management. Niemand darf da hinein, der sich nicht als Freund erwiesen hat.

„Wir sind ja kein Plattenlabel mit Sekretärin und so, wir machen das alles selbst. Deswegen machen wir nur was, wenn wirklich alles stimmt. Wir wollen nicht mit irgendeiner Sängerin arbeiten, eine Stimme mieten. Wir wollen mit Freunden arbeiten.“ Weswegen auch der weitverbreitete DJ- und Produzenten-Traum nach einer Umsetzung mit Instrumentalisten.am besten gleich mit Orchester, die Wiener nicht bewegt. „Das haben wir schon gemacht, früher, ganz am Anfang: mit mehreren Leuten, Percussion, Richard hat Flöte gespielt, das war schon super.“ Aber es war vom Aufwand her zuviel. Und man macht’s halt nur, wenn’s „proper“ ist. Also legen sie weiter für angemessenes Geld quer über den Globus ihre süffige Selektion auf- und machen Remixe. Das reicht, um den Status zu behalten. Aber reicht das auch, um sich als Künstler zu fühlen? Kruder: „Unsere Remixe sind komplett neue Songs. Wir stellen die Vocals in einen ganz anderen Zusammenhang, egal welchen Track du nimmst. Also würd‘ ich nicht sagen, daß wir uns mit fremden Namen schmücken, sondern eher, daß wir die anderen mit unseren Federn verzieren.“ Zudem diese Praxis in finanzieller Hinsicht ein fast schon selbstloses Unterfangen ist, da die Verwertungsrechte eines Remix beim Original-Künstler verbleiben. Dorf meisten „Klar machst du viel bessere Kohle mit Eigenkompositionen. Aber was soll’s?“ Kruder: „Wir haben halt in den letzten Jahre hauptsächlich Remixe gemacht, deshalb ist unser neues Album THE K& D SESSIONS nunmal ein Remix-Album.“

Dorfmeister: „Und was die Zweitverwendung der Sachen angeht, so hat die absolute Mehrheit der Musikhörer sowieso keine Ahnung, was wir in der letzen Zeit gemacht haben, weil der 12-Inch-Markt nun wirklich an fast allen vorbeigeht.“ Außer an ihnen natürlich, die als DJs, Fans und Süchtige nach wie vor konsumieren, was das Zeug hält. Wobei das Zeug, das sie kaufen, immer eigenartiger wird, „kaum Sachen, die man auflegen kann.“ Lust und Last, schließlich ist K & D, das DJ-Team, längst kein Warm-up mehr, sondern immer im Hauptprogramm des Abends, wo von ihnen erwartet wird, daß sie immer mehr Drum ’n‘ Bass auflegen, allein schon wegen der Lautstärke. Am liebsten arbeiten die beiden deshalb in Wien. Hier können sie machen was sie wollen, hier werden auch ihre experimentellen Ausflüge verstanden – und vor allem ist hier ihre ebenso eingeschworene wie umtriebige Szene.

Mit dem morbiden und blutigen Teil der örtlichen Kunstszene, dem berühmten Aktionismus, haben K & D allerdings weder ästhetisch noch von ihrem Interesse her viel zu schaffen. „Als Junge hatte ich natürlich auch mal eine Heavy Metal-Phase“, outet sich Kruder,“aber danach ging es immer um angenehme Sounds. Wobei es bei uns durchaus auch harte Sachen gibt, aber die sind alle in der Schublade.“ Genau wie das sagenumwobene Album. Kruder:“Es ist ja nicht so, daß wir kein Material haben. Wir hätten schon ’94 ein Album veröffentlichen können mit Zeug, was bis heute keiner gehört hat.“ Aber irgendwann werden wir auch das zu hören bekommen. Wenn’s proper ist.