Protest als Prinzip


Die Welt wartet auf ihr zweites Album. Doch wer die jungen Wilden zur Arbeit drängt, riskiert ein herzliches "Fuck You!"

Wenn Timmy C. zuhause ist, in Venice, California, hört er jede Nacht Schüsse. „Da draußen herrscht Krieg. Aber bin ich froh, daß ich dort wohne. Man kommt nicht in Versuchung, die Augen zu schließen.“

Allzu oft war Timmy C. im letzten Jahr ohnehin nicht im eigenen Heim. Als Bassist von Rage Against The Machine teilte er mit seinen drei Kollegen Zach de la Rocha (voc), Brad Wick (dr) und Tom Morello (g) das Schicksal jeder erfolgreichen Newcomer-Band: die ewige Tour nach dem ersten Album. „Rage Against The Machine“, das Debüt erschien im Frühjahr des vergangenen Jahres. Seit dem Erscheinen hat sich das Erstwerk zum Dauerbrenner nicht nur in den deutschen Charts entwickelt.

Grund genug für das geschäftliche Umfeld der Polit-Aktivisten, um seit geraumer Zeit auf dicken Drehstühlen herumzuhibbeln und auf das Nachfolge-Werk zu spekulieren.

„Ja, ja, mag sein. Wir sind aber leider eine Band, die unter Druck nicht besonders gut funktioniert. Wenn das jemand versucht, kann er sich sein verdientes ,Fuck you‘ bei uns sofort abholen.“ Fünf neue Songs sind bislang entstanden, die sporadisch live getestet werden, ob sie auf ein neues Album kommen, will von der Band noch keiner wissen.

Den Eigensinn der Band vorherzusehen ist keine hellseherische Glanzleistung: „Fuck you, I won’t do what you told me“, ist die beliebteste Mitgröhlzeile jedes Rage-Konzerts. In Deutschland schloß sich auf ihrer letzten Tour regelmäßig ein beherztes „Nazis raus“ aus dem Publikum an. In Zeiten wie diesen, in denen Bob Dylan einen Protest-Gassenhauer wie „The Times They Are-A-Changing“ ans amerikanische Werbefernsehen verhökert, wirkt das Basis-Statement von Rage Against The Machine wie ein Relikt aus vergangener Zeit: „Wir sind ein erster Linie eine politische Band. Wir haben durch unseren Erfolg die Möglichkeit, Leuten zu sagen, wo’s lang geht, und das ist unser erstes Ziel.“ Die Taten, die solchen Worten folgten, waren in jüngster Zeit etwa ein Benefiz-Konzert für den in den USA unschuldig inhaftierten Indianer Leonard Peltier und ein Video, das zu dieser Ungerechtigkeit sehr deutlich Stellung nahm und prompt für Aufregung (auch in der MTV-Programm-Direktion) sorgte. „Wenn wir Peltier frei bekommen könnten, das wäre wunderbar“, schwärmt Timmy C. Der Zyniker in uns allen antwortet: Wer glaubt denn heute noch an die Möglichkeit der politischen Veränderung? „Ich hasse nichts mehr als U:ute. die sich zuiücklehnen. und sagen Man kann eh‘ nichts tun.‘ Es wird sich verdammt viel verandern. Und zwar bald.“ Vielleicht auch bei RATM. „Diese Band ist erst der Anfang. Sie ist nur eine Stufe in der politischen Karriere unseres Sängers und Texters Zach de la Rocha „, sagt Timmy: „Der Mann ist zu Höherem bestimmt.“