Nachruf

Punk ist tot – ein Nachruf auf Mark E. Smith


Der Sänger von The Fall ist im Alter von 60 Jahren gestorben. Ein Nachruf auf die Post-Punk-Ikone Mark E. Smith.

„Wir waren bei einem Festival in Dublin, da hat sich eine Band warmgespielt, sie war schrecklich. Ich sagte, hört auf ihr Arschlöcher, aber sie haben immer noch weitergespielt, da habe ich eine Flasche nach ihnen geworfen. Einer aus meiner Band sagte, das sind die Sons Of Mumford [sic!] oder so ähnlich, sie sind Nummer 5 in den Charts! Ich hielt sie nur für einen Haufen geistig zurückgebliebener Irish-Folk-Sänger.“

Diese Anekdote aus dem Jahr 2010 ist typisch für Mark E. Smith, Gründungsmitglied, Sänger und Songschreiber von The Fall, einer der bedeutendsten und einflussreichsten Bands der Post-Punk-Bewegung. Die Chancen stehen gut, dass Smith nicht nur Mumford & Sons beleidigt hat, sondern irgendwann auch deine Lieblingsband. Mark E. Smith hat Zeit seines Lebens seine Meinung über den Zustand der Welt und mediokre Kollegen vertreten – und die war in den seltensten Fällen positiv.

„Auch wenn’s nur ich und deine Oma an den Bongos sind, dann ist es immer noch The Fall“

Mark E. Smith, Sänger der Post-Punk-Band The Fall, ist tot
Mark Edward Smith wurde am 5. März 1957 im englischen Broughton, einem Vorort von Salford im Großraum Manchester, geboren. Nachdem er den berühmten Auftritt der Sex Pistols in der Lesser Free Trade Hall in Manchester gesehen hatte, gründete er 1976 seine eigene Band und benannte sie nach dem Roman „Der Fall“ des französischen Schriftstellers und Philosophen Albert Camus. 1979 wurde das Debütalbum LIVE AT THE WITCH TRIALS veröffentlicht, ihm folgten in den nächsten 36 Jahren über 30 weitere. Haupteinflüsse von The Fall waren Captain Beefheart, The Velvet Underground und Can, deren zweitem Sänger sie mit dem Song „I Am Damo Suzuki“ ein Denkmal setzten. Als Hauptstilmittel setzten The Fall in ihrer aggressiven Gitarrenmusik Monotonie und Repetition ein, was sie sofort als klassische Rock-Band disqualifizierte.

Mark E. Smith, der als schwieriger Charakter galt, war die einzige Konstante in über 40 Jahren The Fall, er verschliss 66 verschiedene Bandmitglieder, von denen ein Drittel weniger als ein Jahr dabei war. Berühmt wurde sein Ausspruch: „Auch wenn’s nur ich und deine Oma an den Bongos sind, dann ist es immer noch The Fall.“ Die kryptischen Texte der Fall-Songs waren von nüchterner Straßenpoesie, durchzogen von schwarzem Humor, Sarkasmus, Zynismus, schwer zu dechiffrierenden Referenzen, Assoziationen, Wortspielen und sozialen Kommentaren, die die Misanthropie des Autors zur Schau stellten. Und sie waren auch akustisch schwer zu verstehen, weil Smith mehr murmelte und nuschelte als sang.

Tromatic Reflexxions als später Höhepunkt

Mark E. Smith bei einer Show in New York (1979)

Einen zweiten Wahrnehmungsfrühling erlebten The Fall Mitte der Nullerjahre, als sie von vielen Bands des Post-Punk-Revivals als Einfluss genannt wurden. Smith freilich wollte diesen Einfluss auf Franz Ferdinand, LCD Soundsystem, Arctic Monkeys, These New Puritans oder The Kills nicht erkennen. Sonic Youth coverten The Fall 1990 auf der EP „4 Tunna Brix“, Tocotronic veröffentlichten 1996 auf ihrem dritten Album WIR KOMMEN UM UNS ZU BESCHWEREN den Song „Ich habe geträumt, ich wäre Pizza essen mit Mark E. Smith“, James Murphy imitierte 2005 auf dem Debütalbum von LCD Soundsystem Smiths Gesangsstil. Ein später Höhepunkt in Mark E. Smiths Karriere war das Album TROMATIC REFLEXXIONS (2007), das er mit Jan St. Werner und Andi Thoma von Mouse On Mars unter dem Namen Von Südenfed veröffentlichte, es setzte die aggressive Repetitionslust der Fall-Musik in einen technoiden Kontext. Im Juli 2017 wurde das 32. und letzte Studioalbum von The Fall veröffentlicht, NEW FACTS EMERGE.

Im vergangenen Jahr hatte Smith mit seiner angeschlagenen Gesundheit zu kämpfen, er musste im Sommer mehrere Konzerte absagen, kam ins Krankenhaus wegen Problemen mit Hals, Mund und Atemtrakt. Im Oktober bestritt er einen Auftritt im britischen Wakefield im Rollstuhl. Smith war Kettenraucher, schwerer Trinker und – zumindest in jungen Jahren – maßloser Speed-Konsument. Mark E. Smith ist am 24. Januar 2018 im Alter von 60 Jahren verstorben. Die genaue Todesursache ist noch nicht bekannt.

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