Punkte im Gewissen


Lali Plina: Das vergisst man doch immer wieder. Wenn sich die zutiefst melancholischen Melodien wie abgeduckt auf tickertackernden Rhythmusspuren durch die Datapop-Lieder schleichen und Valerie Trebeljahr dazu singsummt und sprechsingt wie spätabends durch ein Telefon. Und doch: Lali Puna ist eine explizit politische Sand. Das belegt das dritte Album faking the books, das unter den Eindrücken des Irak-Krieges eingespielt wurde, umso mehr. Mit vielen Punkten. Und dicken Fragezeichen. Lali Puna finden als bei genauerem Hinsehen vehemente Vertreter des überlieferten Independent-Gedankens nur Richtiges und Wichtiges daran, die imperialistische US-Politik, Konzernmonopolismus und Medien-Gleichschaltung bei gleichzeitiger Geschichts- und Faktenfälschung (siehe Albumtitel und Titelsong] anzuprangern. Bei faking the books lässt sich dieses Vorhaben nun auch besser von der musikalischen Oberfläche ablesen.

„Die Platte ist viel rougher geworden, wir haben beim Aufnehmen schon ans Livespielen gedacht“, bestätigt Valerie. Doch warum versteckt sich die Sängerin dann immer noch in den Liedern? „Das will ich eigentlich gar nicht“, entgegnet sie, „das liegt einfach daran, dass ich nicht genug singen kann. Das ist schließlich vor allem Technik: Lautstärke.“

Auch ihre Zurückhaltung auf der Bühne sei keine Stilfrage, sondern resultiere aus den Begrenzungen der eigenen Begabung. „Man muss dafür der Typ sein. Ich will nicht irgendwas Aufgesetztes machen.“ Dabei sieht sie tatsächlich ab und an Erklärungsbedarf für Lali Punas Lieder, doch in derdirekten Kommunikation zwischen Bühne und Parkett lauern Gefahren: „Es ist schwierig, politische Inhalte über eine Bühne zu vermitteln. Es gibt dort nichts Subtiles. Dann läuft es immer auf, Macht dieses oder jenes!‘ hinaus. So war Valerie Trebeljahr auch beruhigt, als klar war, dass Lali Puna nun doch nicht kurz vor den Präsidentschaftswahlen in den USA touren: „Was hätte ich da erzählen sollen? „Hey, ihr müsst wählen!“, „Davor haben Lali Puna spürbar Angst: eindimensional, platt, letztlich peinlich zu sein. Deshalb pflegt diese Band ihre Brüche, spielt weiterhin wenig offensiven Pop in Moll „gegen moll den kommerziellen Kram!“! und malt dazu klare, schwarze Interpunktionszeichen in unsere Gewissen. Die lassen sich auch nicht so einfach wegrubbeln.