Red, Hot & Blue


GIB DEM VIRUS KEINE CHANCE Vor zwei Jahren noch das heißeste aller Themen ist AIDS längst von der Tagespolitik überrollt worden und auch die Umsatzzahlen der Kondom-Hersteller sind wieder drastisch gesunken. Höchste Zeit also für einen neuen Angriff auf Medien und Bewußtsein: 20 der größten Pop- und Rock-Stars arbeiteten für das Benefiz-Projekt RED, HOT & BLUE zusammen.

Gib dem Virus keine Chance, dachte sich vor mehr als einem Jahr der New Yorker Rechtsanwalt John Carlin. Er arbeitet für die Kanzlei, die den musikalischen Nachlaß des 1964 verstorbenen Cole Porter, einer der bedeutendsten Musical-Komponisten Amerikas. „Wenn ich damals geahm haue, was da auf mich zukommt“, erinnert sich Carlin, „hätte ich gleich das Handtuch geschmissen.“ Gut. daß er seine Idee jetzt bis zur Plattenreife durchgezogen hau trotz der bitteren Erfahrung, „wie ätzend und geldgierig Pop-Stars reagieren können und mit welch billigen Ausreden sie sich musgewunden haben.“ Nun. an Stars herrscht auf dem soeben veröffentlichten Benefiz-Album RED, HOT & BLUE kein Mangel: Neneh Cherry. Neville Brothers, U2, Fine Young Cannibals, Annie Lennox. David Byrne, Sinead O’Connor, Jimmy Sommerville und Tom Waits (um nur einige zu nennen) – sie alle haben einen Song für das Projekt neu aufgenommen – jeder coverte einen Cole Porter-Klassiker.

Die Überraschung: Das Album bleibt ohne einen Hänger auf musikalischem Spitzen-Niveau durchhörbar trotz seiner musikalischen Vielfalt von Cherrvs Ran „Ive Got You Under My Skin“, der als Vorab-Single sofort zu Chart-Ehren kam. bis zum Rocky-Knaller „Well, Did You Evah!“ von Debbie Harry & Iggy Pop. Dafür sorgt, daß alle Kompositionen aus einer Hand kommen und Steve Lillywhite als Executive Producer eine klare Klang-Linie zustandebrachte: „Besonders wichtig ist, daß auf dem Album neben echten Kunst-Perlen auch wirklich kommerzielle Songs sind, mit denen wir auch das junge Singlekäufer-Publikum erreichen können.“

Schließlich startet RED, HOT & BLUE vor allem mit der Ambition, die jüngeren Musik-Freunde mit den nötigen Informationen zu versehen, wie sie sich vor der Seuche schützen können. Neneh Cherry setzte genau deshalb auf Rap: „Ich hoffe, Cole Porter verzeiht mir das – aber ich hoffe eben, mit dieser Musik gerade die unter 16jährigen zu erreichen, die in ihrem weiteren Leben sehr stark von AIDS betroffen sein werden – besonders die schwarzen Mädchen in Amerika. Und es gibt wirklich noch viel zu tun: Warum legen die großen Holelkelten nur Süßigkeiten auf die Gästebetten und keine Kondome dazu?“ Unterstützt von Mode-Kollektionen Jean Paul Gaultiers. T-Shirts von Keith Haring (großes Foto) und Video-Clips von Wim Wenders. Jim Jarmush und Percy Adlon, die wie alle Musiker auf Profit verzichten, gehen die Gesamterlöse in voller Höhe an AIDS-Hilfeprojekte. vor allem in Entwicklungsländer. „Ich kenne persönlich keinen AIDS-Kranken, aber das ist nur eine Frage der Zeit“, resümmiert Roland Gift den anderen Zweck des Projektes, .ich meine aber, es ist allerhöchste Zeit, den Leuten klar zu machen, daß jeder einzelne verdummt davon betroffen ist.“