Red Hot Chili Peppers: Hamburg, Fliegende Bauten


Tausche Zirkuszelt gegen Stadion: Die Aushängekalifornier zucken sich vor 600 geladenen Gästen streng geheim durch alte und neue Hits.

Ist eigentlich jemals ein so genanntes Geheimkonzert ausgefallen, weil keiner wußte, wohin ergehen sollte, geschweige denn, wer überhaupt spielt? Nicht? Ok, war ja nur eine Frage. Das „Geheimkonzert“ der Red Hot Chili Peppers in Hamburg war jedenfalls ungefähr so geheim wie die Ziehung der Lottozahlen. Durch die Indiskretion eines lokalen Boulevardblatts wußte jeder, daß die Peppers – nachdem sie Hamburg zuletzt 2002 vom Dach eines Elektromarkts bespielt hatten – in den Fliegenden Bauten auftreten würden; einem Zirkuszelt, in dem sonst Gitte, Atze Schröder oder japanische Körperverbieger gastieren. Die Band, die sonst Arenen wie das Londoner Earls Court viermal hintereinander ausverkauft, also exklusiv vor 600 geladenen Gästen: VIPs, Medienmenschen und Fans, die in teils abstrusen Gewinnspielen („Wer ist der größte Red Hot Chili Peppers-Fan? Der längste Bewerber gewinnt!“) ein Ticket ergattert hatten. Was der Quatsch soll? Das macht man heute marketingtechnisch so. Verknappe das Produkt künstlich! Sei Dir höchster Aufmerksamkeit gewiß! Funktioniert immer. Also stolpert man über einen roten Teppich ins Innere, ignoriert das Rauchverbot und rempelt absichtlich Tim Mälzer, Smudo oder Marcus Wiebusch an, weil das übliche Gedrängel heute ausfällt. Ehe man sich noch in einer der schicken Lounges aufs Sofa drapieren könnte, stehen sie schon auf der kleinen Bühne: Anthony Kiedis in Schwarz mit blauer Krawatte. Flea mit nacktem Oberkörper, Chad Smith ganz in Jeans. Allein John Frusciante sieht in labberigem Holzfällerhemd und Stoffhose, mit verwachsenem Bart und wirren Locken so aus, als hätte man ihn versehentlich in diese Gruppe tätowierter Muskelpakete einsortiert. Die Band beginnt mit einem Gitarrensolo-geprägten Intro. Im Nachhinein wird man das als Omen erkennen. „Can’t Stop“ folgt. Indie-Mädchen. Studenten, Langhaarige, Kurzrasierte und auffallend viele Pärchen von 17 bis 55 hüpfen, als müßten sie sich die Tickets noch verdienen und kippen Bier in Plastikbechern in sich rein – auf der Bühne begnügt man sich derweil mit Wasser und Tee und der wiederholten Gleichung „ein neuer Song, ein alter“. Neues wie „Charly“, „Tell Me Baby“ und „21st Century“ wechselt mit Altbewährtem wie „Scar Tissue“, „Suck My Kiss“ oder „By The Way“. Schließlich wissen die meisten Anwesenden von STADIUM ARCADIUM bisher nur, daß es ein Doppelalbum mit 28 Songs ist, die CDs „Jupiter“ respektive „Mars“ heißen und auf dem Cover das Weltall abgebildet ist, wie man es aus alten Naturkundebüchern kennt. Später wird man erfahren, daß die Band bei den Aufnahmen „auf musikalischer Ebene eins mit dem Universum“ gewesen ist. Ach so. Frusciante bewegt die Finger schneller, als man seine Digitalkamera ausrichten kann. Flea und Smith erledigen die Rhythmusarbeit routiniert, Kiedis‘ Stimme hält noch immer, und im Zelt weiß man: Da zappelt sich eine Band mit neuem Material zurück zu ihren Anfängen. Es funkt, crossovert und frickelt gar sehr. Pech für Menschen, die bei ausufernden Gitarrensoli nicht spontan eine Ganzkörpererektion bekommen. Kiedis gehört nicht dazu. Den ganzen Abend über bewegt er sich exakt nach der Choreographie, die er schon im „Give It Away“-Video vorgeführt hat. Den Song spielen sie aber nicht, dafür die neue Single „Dani California“. Flea hat unterdessen Interessierten angeboten, sich später anpinkeln zu lassen. Frusciante ist einmal mehr mit einem Gitarrensolo beschäftigt – alles ganz so, wie es zu erwarten war. Nach einer dreiviertel Stunde fragt man sich daher a) ob da vielleicht noch etwas weniger Vorhersehbares kommt und b) ob man wegen der Lautstärke morgen noch etwas wird hören können. Und wünscht sich – gerade nach um jubelten Songs wie „By The Way“ oder „Californication“ – die Peppers würden sich öfter trauen, mal einen Gang runterzuschalten. Und dann singt Frusciante unversehens mutterseelenallein „How Deep Is Your Love?“ von den Bee Gees. Gottlob schwenkt niemand Feuerzeuge. Nach 70 Minuten und zwei Zugaben („Under The Bridge“ und „Power Of The Equality“) drückt jemand auf den Aus-Knopf. Aber was am meisten verstört hat: Reinhold Beckmann war auch da. www.redhotchilipeppers.com

„Das sind Spitzenmusiker, keine Frage. Die haben das schon sehr beeindruckend durchgezogen. Mir persönlich haben ein bisschen die Melodien gefehlt. Ich bin einfach nicht der Typ, der so auf Gitarrensoli steht.“ Reimer Burstorff, Rockstar (Kettcar)

„Wir haben das Konzert von hier draußen vor der Tür verfolgt und auch alles gut mit anhören können, weil sie die Türen auf gemacht haben. Super Sound und sehr, sehr geile neue Songs. Sie sind eben doch die beste Band der Welt. „Tatjana Zonca, Studentin & Fabian Eichstaedt, Abiturient

„Ich fand es einfach großartig, besonders weil ich sie so nah sehen konnte. Ich war schon auf vielen Peppers-Konzerten, aber diese intime Atmosphäre war schon einzigartig.“ Tiny Tati, Angestellte

„Das war ein geiler Gig! Wenn auch natürlich die Atmosphäre eines ganz großen Konzerts gefehlt hat. Ich finde, die Peppers haben heute noch mehr Berechtigung als früher. Seit 20 Jahren ganz oben dabei. Respekt!“ Andre Mitwollen, Fotograf