Alice Cooper – Welcome To My Nightmare

1975 war nicht sein bestes Jahr. Die jahrelange Intensivbeziehung mit Fernseher und Budweiserdose näherte sich Intensivstation und Therapieklinik; Freundin Cindy turtelte derweil mit Shaun Cassidy; die Hitquelle versiegte, das Album MUSCLE OF LOVE hatte mehr Gähnen als Schocks verursacht. „Hardhearted Alice“ floppte an den Kinokassen, die Alice Cooper Band, die genialische Rüpeltruppe der grollen Tage, war mutwillig in alle Winde verstreut – dann kam der Comebackversuch mit diesem Album, das, seien wir ehrlich, ein ziemlicher Krampf ist und allenfalls dazu taugt, die alte Weisheit zu belegen, dass keine Ideen besser sind als schlechte (was folglich auch für Platten gilt). Was ist faul an WELCOME TO MY NIGHTMARE? Der Grundgedanke: eine Rock-Oper über… egal, es ist schwer nachzuvollziehen, und wenn ich mal ein Minderheitenvotum abgeben darf: Rock-Opern sollten überhaupt verboten werden. Dann das Cooper-übliche Übermaß an Ideen, die diesmal aber leider fast alte schlecht waren. Und der Produzent: Bob Ezrin hatte Coopers mittlere Werke von LOVE IT TO DEATH bis BILLION DOLLAR BABIES zu grandiosen Wucht-Granaten gemacht, zu zehnstöckigen Torten aus Frechheit, Witz. Randale und heißer Luft, die dem Hörer ebenso genussvoll ins Gesicht flogen wie der US-Öffentlichkeit und ihrem widerwärtigen Establishment aus Fernsehpredigern. Ku-Klux-Klan, Watergate-Mief und Vietnam-Zerbombern, und Alice Cooper zum Darling von Salvador Dali, Liza Minelli und Divine gemacht. Inzwischen aber quoll der Schmutz landesweit aus Gutti und Radio, der New Yorker Vor-Punk erhob sein struppiges Köpfchen, und aus Alice Cooper war ein mittelalter Rocker und Golfspieler geworden, der, statt auf Tempo, Witz und Rohheit zu setzen, noch den abgeschmacktesten Klein-Einfall von Ezrin in einem Ozean von Pseudo-Vaudeville-Pomp, schleppenden Holz-Rhythmen, ödem Billig-Riff-Trödel und unterkandideltem Bläser-Schmalz ersäufen ließ. Möglicherweise wollte Ezrin schon mal für seine Arbeit als Roger Waters‘ rechte Hand bei THE WALL üben. Vielleicht sollte das Album auch dazu dienen, die Kaufkraft der Prog-Rock-Gemeinde abzuschöpfen, aber die wollte Texte über Hobbits. Gott und Yin und Yang und ganz bestimmt kein müdes Geisterbahn-Getue zumal das nicht halb so gruselig war wie die Konkurrenz (etwa Kiss) und die Realität (sagen wir mal: Richard Nixon) -, sei es auch noch so tief unter Arrangement-Schrott vergraben. Kurz: WELCOME TO MY NIGHTMARE ist wörtlich gemeint. Es macht extremen Un-Spaß, die Platte zu hören, da hilft auch Vincent Price als Erzähler nicht viel. Die meisten Songs sind schlicht Mist. Nein, 1975 war wirklich nicht Alice Coopers bestes Jahr. Es sollten noch schlimmere kommen, doch davon ein andermal.

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