Anticon Label Sampler 1999-2004
Mit jeder neuen Platte vorn kalifornischen Anticon-Label werden ein paar Sicherheiten zerstört. Auf diesem Album sind es genau 33. denn 33 Tracks sind auf dem ANTICON LABEL sampler 1999-2004 enthalten, und selbst unter Anwendung strenger Kriterien ist kaum ein Beitrag auszumachen, der sich die Chance nehmen lässt, größere Irritationen selbst bei ausgeschlafenen Kenne-alles-Hörern zu hinterlassen. Die letzte HipHop-Revolution enttässt ihre Kinder, und am Ende hat’s keiner gemerkt. Weil’s gar nicht mehr HipHop im Sinne einer Aural Culture samt identitätsstiftenden Codes ist, wenn man bis zur Spoken-Word-Tradition der Last Poets zurückgehen mochte. Ein Blick auf die Album-Cover der Anticon-Artisten: DIY-Collagen, Grafiken, Kinderzeichnungen, Unterwasserbilder. So sehen keine normalen HipHop-Platten aus. Anticon wurde 1998 von einer losen Clique alter Freunde gestartet und entwickelte sich zu einem wachsenden Kollektiv von Mikrofon-Doktoren und Bricollage-Künstlern, Sammlern, Bastlern und freigeisternden Fantasten. Freilich geht’s von Pop nach Noise und zurück, es gibt Tracks, die näher an Daniel Johnston als an den Roots gebaut sind. Soundfetzen und manipulierte Melodien. Amateuraufnahmen, großen amerikanischen Quatsch und kleine Teilchenbeschleuniger. Ziemlich aufregend all das. Eines Tages werden unsere Kinder diese CD unter einem Berg von Cut-Outs und schlechter Musik finden und sagen: „Geil. Papi, warum hast du mir nie von diesen Leuten erzählt?“ Also, den morgigen Tag zum Anticon-Tag ausrufen und vielen Menschen von vielen seltsamen Künstlern erzählen: Hier der MUSIKEXPRESS-Stichwortzettel: Why? lAlbum oaklandazulasylumI ist der Westcoast-Psychedeliker mit Lizenz zur Killermelodie (zerstört und wieder aufgebaut). Passage (Album THE FORCE-FIELD KIDS], Frontmann der Restiform Bodies. ist die goldene Stimme von Anticon. Alias (Album muteo] hat schon mit Markus Acher von Notwist aufgenommen und arbeitet an der Progression instrumentaler Schleifen. Themselves != Doseone und Jel, Album THE NO musicI experimentieren mit abstraktem Mike-Theater. Odd Nosdam (Album NO MORE wig FOR Ohio) hat den Label Sampler kompiliert und ätzt Track fürTrack. Vorab-Beiträge von den beiden kommenden Anticon-Veröffentlichungen (Telephone Jesus‘ A POINT TOO FAR TO ASTRONAUT und DoshS PURE TRASH) sind noch nicht drauf, aber wer nach Lektüre dieser Kritik noch kein fieses Gefühl im Magen hat, sollte sie sich gleich und blind kaufen.
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