Bernocchi/Kondo/Laswell – Charged

Da hat sich wahrlich ein ebenso unterschiedliches wie experimentierfreudiges Team gefunden. Produzent und Bassist Bill Laswell war bislang bei fast allen Radikal-Projekten beteiligt, die mit Dub, Avantgarde und Free-Funk zu tun hatten. Der japanische Trompeter Toshinori Kondo führte den kühlen Großstadt-Jazz bis an noisige Hardcore-Grenzen und erwies sich dabei als würdiger Nachfahre von Miles Davis. Nur Eraldo Bernocchi ist trotz mehrfacher Zusammenarbeit mit Laswell noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Dabei hat der Italiener maßgeblichen Anteil an den zwischen Ambient, Drum’n’Bass und Breakbeat changierenden Jazz-Instrumentals dieses Albums: Er sorgt mit Samples, Computer-Programming und elektronisch verfremdeten Gitarren für das Fundament, das Laswell mit tieffrequent blubbernden Bässen und Kondo mit seiner gestopften Trompete ausfüllen. Parallelen zu Tab Two drängen sich auf. Doch während die nur noch ewig gleiche HipJazz-Phrasen wiederkäuen, ist bei Bernocchi, Kondo und Laswell alles offen: Ob sich ein Album wie Charged als neuer Club-Trend, als neonfarben-kühler Headphone-Tripfür Wohnraum-Designer oder als idealer Soundtrack für den nächsten SciFi-Thriller auf der Groß-Leinwand etabliert? Egal das ungleiche Trio versteht sich jedenfalls prächtig und feilt am Cyber-Sound von morgen: bisweilen etwas langatmig, aber immer atmosphärisch dicht und mit Mut zur Andersartigkeit.