Big Special
NATIONAL AVERAGE
S/O/Rough Trade (VÖ: 4.7.)
Auch unter Labour finden die Kitchen-Sink-Rocker keinen Ausweg aus der alltäglichen Verzweiflung.

Gerade mal ein gutes Jahr ist es her, dass POSTINDUSTRIAL HOMETOWN BLUES erschien, das Debütalbum von Big Special. Seitdem sind im Vereinigten Königreich, dem Heimatland des Duos aus der grauen Arbeiterstadt Birmingham, zwar die Tories abgewählt worden, aber auch unter einer Labour-Regierung gibt es allerhand zu sagen.

Auch auf ihrem zweiten Album NATIONAL AVERAGE machen Joe Hicklin und Callum Moloney den Sleaford Mods wieder Konkurrenz als Seismographen britischer Befindlichkeit, wenn auch aus verschobener Perspektive: Statt eines öden Jobs haben Big Special jetzt Erfolg. Hicklins Spuckgesang ist dennoch grimmig, Moloney traktiert sein Schlagzeug weiter im Takt schwerer Maschinen und der Turbokapitalismus ist immer noch scheiße („Professionals“).
Immer noch wissen sie keinen Ausweg aus der alltäglichen Verzweiflung („Hug A Bastard“) und schon gar keinen guten Grund, morgens aufzustehen („Judas Song“). NATIONAL AVERAGE ist lange nicht so frenetisch wie das Debüt, eher das Dokument einer nationalen Depression, selbst der Ausweg Exzess ist verstellt. Nicht nur musikalisch, wenn die Tracks eher bedrohlich dahintuckern, fes schleifen wie „Pig’s Pudding“ und nur selten ins Kneipengegröle abkippen. Dafür gibt es in „God Save The Pony“ und „Shop Music“ sogar eine Meta-Ebene, wenn Hicklin mit dem eigenen Popstarsein und dem Popbusiness abrechnet: Ist es zu viel gefragt, mal endlich einen Nummer-eins-Hit zu haben, fragt er. Oder wenigstens einen schönen Werbevertrag? Wir würden alles verkaufen, denn: „You can’t eat art.“ Nein, essen kann man Kunst nicht, aber vielleicht etwas verändern mit ihr.
Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 08/2025.