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Geheimtipps: Diese 10 Postpunk-Alben der 80er solltet Ihr Euch anhören


André Boße kam in den 80ern über den Pop zum Postpunk – und entdeckte wunderlich-dialektische Musik, die narkotisiert und aufrüttelt, blendet und die Hörer in die Dunkelheit zieht. Hier kommen seine 10 Geheimtipps des Genres.

Aus der Punk-Explosion bildeten sich Schallwellen – und die nennen wir Postpunk. Ein Begriff, der jedoch nicht als Genrebeschreibung taugt, für keinen (vor)definierten Sound steht. Postpunk hat den Anspruch, die Dinge offen zu halten. André Boße kam in den 80ern über den Pop zum Postpunk – und entdeckte wunderlich-dialektische Musik, die narkotisiert und aufrüttelt, blendet und die Hörer*innen in die Dunkelheit zieht. Hier kommen seine 10 Geheimtipps des Genres.

Swell Maps – JANE FROM OCCUPIED EUROPE (1980)

Später in seiner Karriere wird Nikki Sudden zum ewigen Rock’n’Roll-Troubadour werden, erst sein Tod setzt der langen Reise 2006 ein Ende. Bereits Anfang der 70er gründet er mit seinem Bruder Epic Soundtracks und anderen Freunden aus Birmingham die Dilettanten-Band Swell Maps. Anfangs parodieren sie Glamrock, später erweitern sie Punk um Krautrock und Psych. Man traut seinen Ohren kaum, wie zeitgemäß der besinnungslose Gitarrenkrach auf der zweiten Platte der Swell Maps klingt: Flaming Lips, Parquet Courts, Stephen Malkmus – die großen Namen des Indie-Rock ließen sich von dieser Musik belehren, die auf wundersame Weise Lärm, Romantik und Nonsens kombiniert.

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The Raincoats – ODYSHAPE (1981)

Den Raincoats ist nach der furiosen Debüt-LP die Drummerin abhanden gekommen. Statt den Posten neu zu besetzen, holen sich die Musikerinnen drei Percussion-Typen ins Studio, unter anderem den legendären Robert Wyatt. Doch nur selten haut einer von ihnen auf die Snare – der Rhythmus imitiert dennoch Dub, Calypso und Pop. In den Fokus dieser abseitigen Songs zwischen Folk, Prog, Neuer Musik und No Wave rücken unkonkret feministische Texte sowie die Geige von Vicky Aspinall. Kim Gordon und Kurt Cobain waren und jüngere Acts wie Warpaint und Goat Girl sind Superfans dieser Platte, die dann am stärksten ist, wenn man nach kurzer Nervphase von gigantischen Ideen überwältigt wird.

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Die besten unbekannten Platten der 70er-Jahre

Martha & The Muffins – THIS IS THE ICE AGE (1981)

Mit der Debüt-LP METRO MUSIC sowie der Single „Echo Beach“ haben Martha Johnson und ihre Muffins das Thema Hit abgehakt; mit dieser, ihrer dritten Platte schwimmen sich die Kanadier frei. Eine bedeutende Rolle spielt dabei Produzent Daniel Lanois, der hier schon an seinen Qualitäten feilt, auf die später U2 und Peter Gabriel zurückgreifen werden. Stücke wie „Swimming“ und „Boy Without Filters“ klingen wie Brian Eno im Bandformat, „You Sold The Cottage“ zeigt, dass Martha & The Muffins ihren Funk-Punk noch draufhaben. Jedoch verfolgt die Band längst eine Vielzahl anderer Interessen.

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Iggy Pop – ZOMBIE BIRDHOUSE (1982)

Viele Fans behaupten, Iggy Pop habe zwischen NEW VALUES (1979) und AMERICAN CAESAR (1993) nichts Gescheites hinbekommen. ZOMBIE BIRDHOUSE fällt dabei unter den Tisch. Was wohl einfach daran liegt, dass er zuvor PARTY verhunzt hat und 1986 mit Bubblegum-Pop um die Ecke kommt. ZOMBIE BIRDHOUSE fügt sich nirgendwo ein, dafür besitzt die Platte viel zu viele Bruchstellen. Iggy Pop ist hörbar druff, der Gesang ist zu laut, die Gitarren schlackern, der Beat ist synthetisch, einige Songs wirken wie Karikaturen, Titel wie „Ordinary Bummer“ kommen nicht von ungefähr. Aber: Anders als Bowie spürt Iggy Pop, was Postpunk bedeutet. „Angry Hills“ ist das beste Beispiel: Das Stück schwebt einfach so dahin, drei fantastische Minuten lang.

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Die 10 wichtigsten Alben von David Bowie

Romeo Void – BENEFACTOR (1982)

Der Killing-Joke-trifft-The-Gossip-Sound der Single „Never Say Never“ hat Romeo Void in DJ-Kreisen bekannt gemacht: Das Stück zündet immer, insbesondere wegen Sängerin Debora Iyall und ihrer knochentrockenen Chorus-Zeile „I might like you better if we slept together“. Iyall ist auf BENEFACTOR der Star der Show, ihr Sprechgesang ist auf Augenhöhe mit Debbie Harry, dazu hat sie genügend Soul in der Stimme, um den Ethno-Funk-Elektro-Twist ihrer Band voranzutreiben. Ebenfalls Mitglied von Romeo Void: der ambitionierte Saxofonist Benjamin Bossi. Das sollte man wissen, denn ignorieren kann man ihn nicht.

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17 Pygmies – CAPTURED IN ICE (1985)

Mitte der 80er-Jahre wird Los Angeles zum Epizentrum einer neuen Postpunk-Welle, Bands wie die Red Temple Spirits, Abecedarians und Savage Republic interpretieren die Denkrichtung politischer, laden ihn mit Mythen und Theorien auf. Die 17 Pygmies sind in dieser Szene beliebte Außenseiter, weil sie sich auf keinerlei musikalische Richtung festlegen. Mal spielen sie Folk, mal Minimalisten-Prog, alles kaum zu fassen. CAPTURED IN ICE wird dann zur Sternstunde, weil die 17 Pygmies plötzlich auch Pop zulassen: Songs wie „Monday“ und „Suit Of Nails“ klingen wie einige Jahre später die UK-Shoegazer Lush.

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Shiva Burlesque – SHIVA BURLESQUE (1987)

Zwei der vier Typen aus dieser Band gründen vier Jahre später die Alt-Country-Erneuerer Grant Lee Buffalo. Bei dieser Gruppe singt allerdings noch ein Mann namens Jeff Clark, passend zur Musik mit dunkel erhabener Stimme. Bei Songs wie „The Lonesome Death Of Shadow Morton“ erkennt man bereits die dystopischen Americana-Fantasien, die ab 1991 Grant Lee Buffalo perfektionieren. Doch auf SHIVA BURLESQUE dominiert ästhetisch hochwertiger Postpunk-Noir, häufig nicht weit entfernt von der Musik, die Nick Cave Ende der 80er vorträgt.

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Nick Cave: Cancel-Culture ist die „Antithese der Barmherzigkeit“

Normil Hawaiians – MORE WEALTH THAN MONEY (1982)

Ein Dutzend Musiker trifft sich in der Abgeschiedenheit von Wales, um über das Königreich und seine moralisch verlotterte Politik zu debattieren. Fast nebenbei entsteht eine ellenlange Doppel-LP, die genau so klingt, wie viele dieser Diskussionen verlaufen: Es fließt in tausend Richtungen, aber die Haltung aller Beteiligten bleibt zu jeder Zeit erkennbar. Mal braucht das Kollektiv keine drei Minuten, um mit „Red Harvest“ alles zu zeigen, wozu Postpunk in der Lage ist. Die Industrial Folk-Suite „British Warm“ hingegen läuft zehn Minuten lang: Postpunk Floyd!

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The Opposition – INTIMACY (1983)

Ungerecht, dass der Markt kaum Dunkelgötter neben The Cure zulässt. The Sound, Comsat Angels, The Chameleons… Sie alle vertonen das Gefühl der Isolation ähnlich eindringlich. Nur kauft niemand ihre Platten. The Opposition ist noch so ein Fall, drei LPs zwischen Wave und Postpunk hat die Band aus London gemacht, danach holt sie sich im Mainstream nasse Füße. INTIMACY ist ihre zweite LP: Gitarren wie Skelette, die Stimme klagt über schmerzende Arme und Stimmen im Kopf, ein von Dub informierter Bass pumpt frisches Blut in den Organismus. Stücke wie „In The Heart“ stehen den Stimmungsmachern auf The Cures PORNOGRAPHY in nichts nach.

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The Cure: Keyboarder Roger O‘Donnell verspricht intensives, trauriges neues Album

Abwärts – ABWÄRTS (1987)

Mitte der 80er haben Abwärts ihre erste Runde bereits hinter sich, die LPs AMOK KOMA und DER WESTEN IST EINSAM haben sie zum bundesdeutschen Postpunk-Faktor gemacht. Lange überlegt der skeptische Chef Frank Z., was nun folgen soll – und entscheidet sich für Pop. Die Hälfte der Songs auf ABWÄRTS ist auf Englisch, der Beat kommt aus der Box, Synthies konkurrieren mit Gitarren. Weil Frank Z. danach mit neuer Besetzung in Richtung Metal marschiert, gilt das Album als Ausrutscher. Aber das stimmt nicht: Die Aznavour-Interpretation „Alkohol“ ist ein viel zu selten gewürdigter Geniestreich, „White House“ klingt wie New Order aus der Hafenstraße.

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Dieser Artikel erschien erstmals im ME 06/2020.