Bitterfisch

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch veröffentlichte der DDR-Verlag Neues Leben bereits 1974. Interessant erscheint es uns, weil es sich hier um die positive Schilderung des gesellschaftlichen Außenseiters Bitterfisch handelt, einen „jungen Proletarier“, der „mit den Winden entschwebt“, um den bürgerlichen Verhaltenszwängen seiner Umwelt zu entgehen. Bitterfisch, von der antiken Mythologie inspiriert, gefällt sich in der Rolle eines Deus ex machina, der stets im rechten Moment dort auftaucht, wo es etwas zu retten gibt. Der Undank seiner Umwelt macht ihm den gottähnlichen Zustand allerdings fast zum Verhängnis.

Das Ehepaar Johanna und Günter Braun, vielbeschäftigte Autoren in der DDR, benutzten ihren jeansgekleideten, langhaarigen (Anti-?)Helden zu einer dezenten Gesellschaftskritik. Zwischen Realität und Phantasie lassen sie ihre Hauptfigur die Kluft zwischen dem Arbeiter hier: dem Proletarier – und den privilegierten Schichten erleben und sich dagegen sträuben. Warum wird der Technische Direktor des Betriebes plötzlich nervös, als der Reparaturschlosser Bitterfisch einen Konstruktionsfehler am Produktionsband nachweist? Er hat einen Orden dafür kassiert und will Bitterfischs Verbesserungsvorschlag natürlich nicht an die große Glocke hängen. Der wiederum weigert sich trotzig, durch Aufnahme in das Entwicklungsteam jenes „Gliederwurms“ aufgenommen („Ein Arbeiter hat uns in diesem Kreis aber noch gefehlt!“) und damit mundtot gemacht zu werden. Und der Direktor resümiert: „Technisch gesehen ist Bitterfisch in der Lage, den Schaden zu beheben. Gesellschaftlich aber nicht, da er sich über die Gemeinschaft hinwegsetzen will!“ Gemeinschaft: In diesem Falle ein Wort für ein international verbreitetes Übel: verschworene Klüngel, gegen die der Einzelne machtlos ist. Privat allerdings unterliegen die Herren ihre Freundinnen stehen nämlich auf Bitterfischs Sensibilität und Unabhängigkeit und nicht zuletzt auf seine sexuelle Überlegenheit. Soweit das Thema.

Leider ist die Geschichte in eine Schreibe gepackt, die unserem zeitgemäßen Stilempfin den gegen den Strich läuft. Die Formulierungen sind verkrampft und prätentiös. Das Buch ist darum schwerfällig zu lesen. Der beabsichtigte Witz, die geplante Ironie und die vielleicht gewollte Progressivität kommen einfach nicht an. Das Thema hätte einiges mehr hergegeben, wäre es nicht so verschachtelt konstruiert worden.

Wer sich trotzdem für die Story interessiert, kann das Buch über alle größeren Buchhandlungen bestellen.