Björk :: Medulla

A capella, abgehoben: Wieder werden wir ein paar Schritte weiter weggelockt von dem, was Pop sonst Ist.

Aufgesetzt, überhöht, abgehoben. So seien sie und ihr Tun, sagen jene, die sie nicht haben wollen. Mit ihrem sechsten Soloalbum werden noch einige hinzukommen, die einwenden, dass ihnen Björk früher ja gefallen habe, aber … Denn medülla ist eine „Vocals only!“-Platte. Kompromisse gibt es kaum, und sie falten eher als Booklet-Fuflnote ins Auge als sonst grofi auf. Und doch ist medülla weitaus mehr als Björk und Chor, in Iglu, Kloster oder Höhle. Vielmehr gelang der Künstlerin ein im besten Sinn aufgesetztes, überhöhtes und abgehobenes A-capella-Werk. Zu Beginn beschäftigen einen ausgerechnet dessen technische Aspekte mehr noch, als dies bei jeder noch so unverdrossen Stile, virtuelle wie klassische Instrumente verschmelzenden Platte Björks bisher der Fall war. Denn medülla ist nicht nur als Aufnahme fantastischer Gesänge ein Ereignis, sondern auch in seiner elektronischen Bearbeitung und seinem Arrangement, welches dem Album weitaus mehr Dimensionen gibt, als sich mit Blick auf seine Beschrankungen erahnen ließen. Aus Rahzels human beatbox rumpeln dankdessen Breakbeats. Tagaqs Obertöne hüllen sich in schimmernde Bänder aus kosmischem Singsang. Mike Pattons Brummen und Hecheln lässt die Anwesenheit eines wilden Tiers erahnen. Björk schließlich wandelt mit aller Freiheit ausgestattet durch das Labyrinth ihrer Kanons, versucht Licht, Leben, Körper, Seele Klänge zu geben, wie sie intuitiver kaum sein können. Traut rnan sich endlich, sich von der übermächtigen Konzeptionalität der Platte, vor altem aber von eigener Befangenheit zu lösen und sich selbst vielleicht ausgehend von „Vökurö“ (einem kein Stück aufgesetzten, überhöhten oder abgehobenen, vielmehr schlichtweg tieftraurig-schönen Choral) auf meoülla auszubreiten, empfindet man diese Platte bald schon als Geschenk.