Branford Marsalis Quartet – Eternal
Mit seinen 44 Jahren ist Branford Marsalis genau im richtigen Alter für die erste Midlife-Crisis. Ob Marsalis deshalb sein aktuelles Quartett-Album ETERNAL randvoll mit nostalgischen und melancholischen Tönen hat laufen lassen, ist jedoch reine Spekulation. Vielleicht war es aber auch einfach einer dieser Gedankenblitze, den Jazz endlich einmal so an seinen Wurzeln zu packen, um nicht an seine harmonische Wiederverwertbarkeit, sondern an die Erzählstoffe heranzukommen. Und die hat Marsalis mehr als nur aufgefangen. Mit Joey Calderazzo (p, Eric Revis (bl und Schlagzeuger Jeff „Tain “ Watts nimmt er alte und neue Balladen an die Hand, um sie unter die Haut gehen zu lassen. Allein „Gloomy Sunday‘, mit dem die Jazz-Nachteule Billie Holiday sich vor einem halben Jahrhundert so verstörend schön vor dem Tageslicht schützte, gerät bei Marsalis zu einer verführerischen Prozession. Hier geht es schlicht um einzelne, lyrische Ton-Schritte, in denen der Verlust genauso steckt wie Seelenbalsam. Allein deswegen ist eternal meilenweit entfernt von jeglicher Bar-Jazz-Attitüde, weil man sich in jedem der sieben Lieder ohne Worte sofort wie in einem Spinnennetz verfängt. Fast unscheinbar markiert dabei Calderazzo sein Klavierspiel, wechselt Marsalis vom Sopran- zum Tenorsaxofon ständig die Klangfarben. Damit vereint er die Meditativität von John Coltrane, die Sonorität Coleman Hawkins und die expressive Klarheit Wayne Shorters aufs Magischste.
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