
Natürlich gibt es den Moment, in dem man sich fragt: Muss ich da jetzt unbedingt dabei sein? Zuhören, während jemand abtaucht in seine tiefsten Abgründe? Mitfühlen, wenn jemand den größten denkbaren Verlust beklagt? Zum Glück findet Brezel Göring bei aller Traurigkeit, die dieses erste Album nach dem Krebstod von Françoise Cactus und dem Ende der symbiotischen Liebes- und Kreativbeziehung des Stereo-Total-Traumpaares notgedrungen durchdringt, immer wieder Momente erstaunlicher Lässigkeit.
Es hilft ungemein, dass Göring sich als Musiker nie allzu ernst genommen hat, nicht mal den demonstrativen Dilettantismus als heilig verehrt, also kann er gleich mal einsteigen mit einem Song wie „Défoncé“, einem französischen Wortspielwitz zwischen Dada und Erleuchtung, also eher eine Hommage an Cactus. Er kann auf „Meine Medizin“, ein zerbrechlicheres „Waiting For My Man“, eine Coverversion aus der deutschen Version des Hippie-Musicals „Hair“ folgen lassen, und sich dann „Am Ende“ völlig nackig machen.
Die Musik schlürft dazu, als wollte sie nicht mit in den Abgrund gezogen werden, Reimen ist was für Langweiler und natürlich kann man dann doch nicht aufhören zuzuhören. „Du siehst bedrückt aus, dabei bist du nur verrückt“, singt die Stimme von Françoise Cactus in „Psychoanalyse“, gebrochen, kippend, bereits geschwächt von der Krankheit, ein Gruß aus dem Totenreich an die letzten Lebenden.
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