Cristina – Sleep It Off
Christina Moyet, Geheimtip der New Yorker Disco-Szene und gern als intelligenteste Frau ihres Clans gefeiert, nach langer Pause mit ihrer zweiten LP: Was für eine Überraschung! Schon der erste, oberflächliche Eindruck erinnert sofort an Cristinas bislang größte Stunde, nämlich ihre unerhört kokette und nihilistische Version von Leiber/Stoller’s „Is That All There Is?‘, die auf Betreiben der beleidigten Songautoren gar aus dem Handel genommen werden mußte!
Heute, wo Rap, Disco und alle Arten schwarzer Rhythmen wieder einmal zum hauptsächlichen Impulsgeber der Pop-Welt geworden sind und alle Welt von Cristina erwarten würde, auf genau dieser Welle (ihrer bisherigen) einen perfekten Ritt hinzulegen, da macht die junge Franco-New Yorkerin quasi genau das Gegenteil vom aalglatten Tanzdisco: Sie benutzt Stilmittel des weißen Rock, der bntischen Popmusik und der europäischen Chanson- und Kabarett-Tradition. Trotzdem eindeutig eine Platte aus New York, denn nirgendwo anders scheint es möglich, so vielfältige Einflüsse unverforen unter einem einzigen Nenner zu versammeln. Auch die Tanzrhythmen kommen dabei nicht zu kurz.
Seite eins: kräftiges Gitarren-lntro auf „Don’t Mutilate My Mink“, fast Punk-nah. „Now She Can’t Say That Anymore“, eine schicksalsgeladene Persönlichkeits-Studie im melancholisch-langsamen Rhythmus, die durch Cnstinas unbeteiligten, leicht sarkastischen Humor verblüffenden Biß erhält. Klare Arrangements haben Cristina schon immer besser gelegen als ein Gerüst für ihre ausdrucksstarke Stimme.
Seite zwei ist der passende Soundtrack für das Abschluß-Feuerwerk des Hamburger Rummelplatzes Dom. Ungeheuer gut das ironische Chauvinismus-Sittenbild „Bailed Of Immoral Earnings“, gesungen im Duett mit einem auf meiner Vorabkassette unerwähnt bleibenden Mann, der die Geschichte dieser Hurenhaus-Story aus seiner Sicht schildert. Die Verbindung aus modernem, nostalgie-freien Background-Klängen und gesanglich/ melodischen Anleihen (20er Jahre) klappt hier perfekt. Der Ruhe von „The Lie Of Love“, einer Geschichte über die Verschiedenheit der Menschen, laßt sie mit „Deb Behind Bars“ ein von der Slidegitarre dominiertes Rockstück folgen und überzeugt ebenfalls. Eine Platte voller Einfälle und guter Arrangements, von einer Frau, die genug Persönlichkeit und Talent besitzt, um sich jenseits stilistischer Grenzen entspannt und selbstsicher bewegen zu können.
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