Dancer With Bruised Knees – Kate & Anna McGarrigle

Die Folk-Schwestern Kate und Anna McGarrigle kommen aus dem französichsprachigen Teil von Kanada; da liegt es nahe, daß ihre Musik ebenso in der angelsächsischen wie in der romanischen Folklore wurzelt. Ihr erstes Album, „Kate & Anna McGarrigle“, erschien jetzt in Deutschland mit fast einjähriger Verspätung beinah gleichzeitig mit der nachfolgenden LP, „Dancer With Bruised Knees“. Beide Platten enthalten englische und französische Songs, zum Teil Traditionais, vor allem aber ungemein gute Eigenkompositionen.Deren Reiz hatten amerikanische Folk- und Rockinterpreten schon früh erkannt: Maria Muldaur nahm Songs der Schwestern auf, ebenso Loudon Wainwright, und Linda Ronstadt, die „Heart Like A Wheel“ zum Titelsong eines Albums machte.

Prominente Namen findet man auch auf den Besetzungslisten der beiden Alben: renommierte Sessionmusiker wie die Gitarristen David Spinoza und Andrew Gold oder wie Drummer Russ Kunkel, Little Feat-Gitarrist Lowell George und Multiinstrumentalist John Cale, der früher zu Velvet Underground gehörte. Die schillernde Schar der Begleitmusiker weist schon darauf hin, daß die Folksongs der McGarrigles offen für musikalische Einflüsse jeglicher Art sind. Und die schönsten und überzeugendsten Titel – „Kiss And Say Goodbye“, „Mendocino“, „Complainte Pour Ste-Catherine“, „Be My Baby“ oder“Dancer With Bruised Knees“ gewinnen einen guten Teil ihrer Ausdruckskraft aus dem breiten stilistischen Spektrum, das ihnen zugrunde liegt.

Schwerer als der musikalische Farbenreichtum wiegt indes die Art und Weise, in der die beiden Schwestern singen. In jedem Lied transportieren die Stimmen ihre komplette Persönlichkeit; es gibt keine Schranken zwischen Zuhörer und Interpret; man hört ein Lied und glaubt, die Schwestern schon seit Jahren zu kennen. Ihre sensiblen Songs sind noch verletzlicher als die von Joni Mitchell, die bislang in beispielhafter Weise das Künstlerimage durchbrochen und ihr Seelenleben in ihrer Musik ausgebreitet hatte. Die Songs von Kate und Anna McGarrigle versprühen einen eigentümlichen Zauber, für den man vielleicht nicht auf Anhieb offene Ohren hat. Doch wenn eingeschliffene Hörgewohnheiten einmal überwunden sind, erlebt man merkwürdige Dinge: Nicht der Kopf, nicht die Beine reagieren in starkem Maße auf diese Musik; sie packt stattdessen das Herz, und man muß sich dieser Regung nicht einmal schämen.