Dave House :: Kingston’s Current

Dave House aus Kingston, Südwest-London, ist den örtlichen Indiekids und Punks wohlbekannt: als Mitglied zahlreicher lokaler (aktiver oder nicht aktiver) Bands, als höflicher Angestellter im örtlichen Plattenladen „Banquet Records“ und als Bassist der Hardcore-Band

The Steal

.Aber es sind seine Solo-Auftritte und -Platten, die ihm die meisten Sympathien und seinen, zugegebenermaßen begrenzten, Bekanntheitsgrad verschafft haben. Von der bewährten Kombination eines wahlweise wütenden oder todtraurigen jungen Mannes und einer Akustikgitarre (das Album kommt ohne Schlagzeug aus) Gebrauch machend, leitet Dave House auf seinem 2004er Debüt KINGSTON’S CURRENT eine musikalische Führung durch das geographische, menschliche und emotionale Umfeld eines Vorstadtmenschen. „I’m in a place where it matters what clothes you wear / and where you pretend your hair somehow echoes your despair“ heißt es in „You Are On My Frequency“, eine Zeile, die jedem über 14 aus persönlicher Erfahrung bekannt sein dürfte. Überhaupt ertappt man sich beim Zuhören praktisch konstant dabei, zustimmend/betroffen/verstehend zu nicken und zu denken, „Ja, kenn‘ ich.“. Liebe, Tod, die sich zu sehr beeilende Zeit – diese alltäglichen (aber deswegen nicht weniger wichtigen) Themen werden von House ironiefrei in ohrfreundlichen Folkpop- Songs behandelt.Kompliziertes Songwriting ist das alles nicht, im Gegenteil: Das Klavier in „Since Your Heart Stopped“ ist fast schon dilettantisch und der Gesang oft recht dünn, während das elektronische Schlagzeug eher nach einem Tischtennisspiel im Keller klingt. Aber die schonungslose Offenlegung seiner Gedanken und Erfahrungen, gekoppelt mit einwandfreien Pop-Melodien à la Death Cab For Cutie, hebt KINGSTON’S CURRENT von den zahllosen anderen Singer/Songwritern ab, die sich in den Hinternzimmern von Pubs in ganz England abrackern. Dave House, in gleichem Maße Produkt und Förderer der Musikszene in Kingston, bezieht sich oft auf real existierende Plätze im Londoner Vorort, z.B. in „Bacchus & Bridges“, einer Hymne an einen kleinen Kellerclub, oder im Titeltrack, der eine fiktive Überschwemmung Kingstons durch die Themse beschreibt. Dieser Lokalpatriotismus ist Teil seines Charms, aber auch eine potenzielle Schwäche: Wer, ausgenommen eines kleinen Kreises, weiß schon, wo die „Eden Street“ in „Kingston’s Current“ liegt und was sie bedeutet? Trotzdem: Houses Einfühlsamkeitsvermögen und sein Gespür für Melodik bewirken, dass jeder, ob Einheimischer oder nicht, sich angesprochen fühlt, wenn es heißt: „We’re changing the way the water flows / and all London will never be the same again“.

Matthias Scherer – 06.11.2008