Deerhunter
Microcastle
Wenn nach 1:22 das Pink-Floyd-ähnliche Intro vorbei ist, und Gitarrist Lockett Pundt einsetzt, begleitet von bittersüßen Gitarren, die an Radioheads „Let Down“ erinnern, ist es vorbei: es schmilzt einem das Herz. An die Stelle der Feedback-Orgien des hierzulande kaum beachteten Vorgängers ist differenziertes, feines Gitarrenspiel getreten, das den Hörer tiefer und immer tiefer in diese Songs zieht, die zwischen klassischem Indiepop, ausgefeiltem Krautrock und 60s-Psychedelia schwanken. Die Stimme von Sänger Bradford Cox klingt nun lasziv und verführerisch, die Bassläufe sind die besten des Jahres, und die Songs übertreffen sogar die größten von Portisheads THIRD mit Leichtigkeit – man höre sich bitte das krautrockige „Never Stops“ an, das mindestens so gut wie „Paranoid Android“ ist.Auch lyrisch hat Bradford Cox sich weiterentwickelt. Die Texte schwanken zwischen bittersüßer Melancholie und Sehnsucht nach vergangenen, besseren Zeiten – Cox‘ labile Gesundheit und verquere Sexualität schwingen nur noch in Andeutungen mit. Spuren von den Beatles, Brian Eno, My Bloody Valentine und Can lassen sich erahnen, doch der Vergleich mit seinem großen Bruder OK COMPUTER drängt sich auf: die Balance zwischen Melancholie und Schönheit, Rockmusik und Avantgarde ist selten so gut geglückt wie hier. Das Herzstück des Albums findet sich in einer fünf Minuten langen Ambient-Suite, bestehend aus drei Songs, die berührt, umschlingt und fortträgt. Die ersten Worte, die Gitarrist Pundt auf dem Album singt, fassen es zusammen: „Cover me, Cover me, Come for me, Comfort me“.MICROCASTLE ist eine Platte für die Ewigkeit, in einer Reihe mit TURN ON THE BRIGHT LIGHTS, OK COMPUTER und FUNERAL.
John Wohlmacher – 13.11.2008
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