Die Import-Platten

„Musik ohne Grenzen“ heißt es ja so gerne. Aus diesem Grund hat Don Marco auch diesmal wieder ein paar schöne Exponate der Gattung Tonträger in deutsche Lande geschmuggelt, um sie der importsüchtigen Leserschaft schmackhaft zu machen. Aus San Francisco erreichte ihn das erste Album einer Band namens El Destroyo die mit Ex-Mitgliedern so unterschiedlicher Bands wie 4 Non-Blondes (uff!), Sister Double Happiness (aha!) oder der Dead Kennedys (huch!) besetzt ist und auf „The Latest Drag“ (Innerstate) glücklicherweise nicht wie eine Mischung hieraus klingt, sondern eher den unverkrampften 2-Minuten-Pop-mit-Wortwitz-Twang bevorzugt. Housemartins treffen auf Kinks und wandern nach USA aus. Für Menschen, die den Glauben an den guten Popsong noch nicht aufgegeben haben. Was kann man auch wirklich gegen eine Band haben, die ihre Songs „Stephanie“, „Emily“ und „Lydia“ nennt? 4 Sterne

Andere Baustelle, ähnliches Spielfeld. Nick Rudd ist einer jener Amerikaner, die zwar seit Ewigkeiten Songs schreiben, gelegentlich aufnehmen, dafür tolle Kritiken erhalten und trotzdem gänzlich unbekannt geblieben sind. Wem Namen wie Mitch Easter, Peter Holsapple oder Velvet Crush etwas sagen, der weiß, in welcher Welt Nick Rudd lebt. Unspektakuläres Songwriting mit leicht melancholischem Zuschnitt, gelegentlich dürfen die Gitarren auch mal etwas lauter dröhnen, aber meist bleibt die Stimmung im unteren Drehzahlbereich. Und diese leisen Momente sind dann auch die besten auf „One Track Mind“ (Parasol). Wenn die Songs zur Ruhe kommen, niemandem etwas beweisen müssen, einfach nur ausgeschlafen vor sich herlaufen. Wer Jack Logan liebt, sollte hier genauer hinhören, denn nicht nur, daß Nick Rudd eine ähnliche Stimme besitzt, an seiner Seite hat er mit Bob Kimball eben jenen Menschen, der auch auf Logans „Little Private Angel“ maßgeblich für allerand Instrumente und die Produktion verantwortlich zeichnete. 4 Sterne

Eine andere Art von Songverständnis zeichnet die drei Herren von Califone auf „Califone“ (Flydaddy) aus. Sie nehmen einen Song und verfremden ihm mit Instrumenten, die sie wie folgt benennen: batterie, bag of nails. Space echo, cinderblock scraping across floor, piano, organ, drums, programming, synth, wire drum, vocals. Was sich nach Ohrentortur anhören mag, entpuppt sich als sehr spannende und auch für noiseunerfahrene Pophörer interessante Angelegenheit. Wer sich schon öfter gefragt haben mag, was eigentlich aus Red Red Meat, dieser großen Sub Pop-Band wurde, findet hier die Antwort, denn hinter Califone verbergen sich mit Tim Rutili und Tim Hurley zwei ehemalige Mitglieder dieser Chicago-Band. Und Califone sind eigentlich auch nichts weiter als die Fortführung dessen, was Red Red Meat zuletzt betrieben haben. Die Herauslösung der Songwurzeln aus ihrer bekannten Schale mit allerhand merkwürdigem Equipment. Blues’n’Folk trifft in der Werkstatt auf abstruse Gerätschaft – ein Experiment, das auf Fortführung drängt. 5 Sterne

Auf jeden Fall Gehör verdient das dritte Album von Peglegasus, einem Ouartet aus Austin, Texas, das sich nicht dem countrylastigen Singer/Songwritertum verschrieben hat. sondern wilden, virtuosen Progressive Rock mit Punkwurzeln im Stil der Minutemen oder Meat Puppets spielt. Zu gedoppelten Gitarren-Soli läßt der Drummer seine Toms in Keith Moon-Manier quer durch das Studio hüpfen. Das könnte zur nervigen Farce werden, wenn die Band neben einem wunderbar lockeren Zusammenspiel nicht immer wieder tolle Songs mit todsicheren Hooklines In petto hätte. „Tired Of Adventures“ (Mad Entropie Records) ist keine leichte Platte, aber eine, die begeistert und gefangenhält. 5 Sterne

Zum Schluß noch „Astrohill: Desert Planet Disk“ (Fluxus Rec), eine Compilation zum gleichnamigen „intergalactic Underground Comic“ mit großteils der LA. Punk- und Underground-Szene zugehörigen Acts und vielen hierzulande noch unbekannten Nachwuchsbands. Die meisten werden das mit ihren altbackenen Darkwave- und Industrial-Anleihen wohl auch bleiben. Klare Gewinner sind in diesem Fall die alten SST-Punkrocker der Leaving Trains, gefolgt von Gwen Mars und Sluts For Hire. In diesem Fall entschädigt der Comic für ein eher durchwachsenes Album. 3 Sterne

Kontakt:

Innerstate: www.innerstate.com

Parasol: www.parasol.com

Flydaddy. www.flydaddy.com

Peglegasus-e-mail: snippy@sprynet.com

Fluxus: www.cheekypress.com