Die Singles

Bad Tölz. Fangen wir ruhig einmal mit Bad Tölz an. Nicht nur, weil Bad Tölz ein oberbayerisches Kurviertel mit jodhaltigen Natrium-Chlorid Wässern ist. Sondern natürlich auch, weil die Bananafishbones dort zu Hause sind. Die hatten kürzlich mit „Come To Sin“ einen Hit im Namen der Textilindustrie und brachten damit die Firma C&A groß raus. Wobei sich C&A natürlich in nichts anderes als „Charme & Anmut“ aufdröselt. Nicht die Bohne charmant ist allerdings das, womit die Bananafishbones jetzt nachlegen. Daran kann auch die chronisch präsente Franka Potente nichts ändern, die im Clip zu „Easy Day“ (Polydor) mit den Eins A-Landeiern über eine Eins A-Landstraße fährt und folgerichtig irgendwann mit den Burschen in einer Scheune Station macht. Der Song selbst penetriert gute Laune auf Teufel-komm-raus und klingt mit seinem Heuschober-Wumms so, als hätten die B-Bones zufällig im Wald den „Cotton Eye Joe“ von den Rednex getroffen – und zusammen mit der Knalltüte die falschen Pilze gesammelt. Das kann ja mal passieren, ist aber trotzdem fies. Sehr fies sogar. 1 Stern

Kontinentwechsel: Amerika. Und wer „Amerika“ sagt, der muß spätestens seit letztem Jahr auch Mercury Rev sagen Weil Mercury Rev mit „Deserter’s Songs“ ein Album hingelegt haben, das den Begriff „Eskapismus“mit völlig neuem Inhalt füllt. Von eben dieser Langspielplatte gibt es nun „Opus 40“ (V2/ Rough Trade) als Single. Das ist schön, Noch schöner sind allerdings die vier Cover-Versionen, die Jonathan Donahue mal herrlich verhuscht, mal fröhlich beschwingt singt: „He Was A Friend Of Mine“ von Bob Dylan, „Motion Pictures“ von Neil Young. „Silver Street“ von Nikki Sudden und „Raindrops Keep Falling On My Head“ von Burt Bacharach.“Need we write more?“, stände jetzt an dieser Stelle in einem Hamburger Magazin zu lesen. 6 Sterne

Aber wir sind ja nicht in Hamburg, liebe Singles-Freunde und Singles-Freundinnen, sondern immer noch in Amerika. Und da landen wir bei der Indie-Rock-Pop-Folk-Band der 90er: Pavemcnt. Die haben letztens mal wieder bewiesen, daß sie definitiv die etwas anderen Rockstars sind: Keine Luxus-Limousinen, keine Luxus-Villen, nein – Pavement haben sich ein Rennpferd gekauft. Und das mit dem Gaul scheint abgefärbt zu haben. „Carrot Rope“ (Virgin), die erste Single aus dem neuen Album „Terror Twilight“, beginnt zwar vertrödelt, schaukelt sich dann aber rhythmisch vertrackt in einen gepflegten Trab, franst hier und da aus und endet immer wieder sportiv bei Pop. Was fein ist. 4 Sterne

Eine echte Empfehlung ist auch „Superfreaky Memories“ (Beggars Banquet/PIAS/Connected) von Luna – immer vorausgesetzt, man kann auf die sympathische Schnarchnasenart der Band. Der Schlagzeuger parkt bei der Arbeit wahrscheinlich eine Hand in der Hosentasche, Dean Warehams Stimme hat was von der Spannkrafteines ausgeleierten Gummitwist-Gummis, und die Gitarren jingeln konsequent nölig. Alles prima Argumente für kontrollierte Ekstase und der Text, der ist sowieso eine Wucht 5 Sterne

Unzweifelhaft einen hohen Selbsterkenntniswert hat das, was Kevi, der Vorsitzende der 1000 Clowns, auf der Debüt-Single seiner Spals-Combo veranstaltet. „(Not The) Greatest Rapper“ (Eastwest) heilst die Sevenlnch, und der Titel ist Programm: Kevi weiß Bescheid, was seine Fähigkeiten als MC angeht. Außer der Einsicht in das eigene Können birgt der Song aber noch zwei andere nicht zu unterschätzende Vorteile. Der optische: Kevi hat eine super Frisur, Modell „lustige Locken“. Der musikgeschichtliche: Die 1000 Clowns bringen die Querflöte im poppigen HipHop endlich da hin, wo sie zweifellos hingehört: ganz weit nach vorn. 3 Sterne

Und nun: Willkommen im Elektroland! Dort ist das Vorhaben der KOMPAKT-Menschen aus Köln-1999 jede Woche eine neue Single auf einem Extra-Label – mittlerweile im zweistelligen Bereich angelangt. „Kreisel 99/18“ kommt vom berühmten Mike Ink und außerdem mit einem Reinhard-Mey-Sample daher – und zwar aus der Zeit, als der gute Reinhard noch mehr Liedermacher als Chansonnier war und es schwer mit politischem Bewußtsein hatte. Knarzender, schabender Minimai-Techno sagt der Attitüde von Burg Waldeck „Guten Tag“ tolle Sache, das. 6 Sterne

Nicht ganz so toll, aber jedenfalls Stagnation auf hohem Niveau ist das, was Jörg Burger als The Modernist auf die Maxi bringt. „Global Entertainment“ (The Populr Organization) ist luftiges Electronic Listening mit House-Appeal, zu dem man elastisch in den Knien federn kann. Und Laune macht’s auf alle Fälle. 4 Sterne

So, die Eieruhr ist endgültig abgelaufen. Und vom ewigen Umdrehen schon todmüde. Eine Single geht aber noch: „Baby Britain“ (Polydor) von Elliott Smith. Der Titel ist zwar glatt gelogen, denn der Song ist definitiv ein Kind aus Amerika-und nichts anderes als eine 150prozentige Beach-Boys-Blaupause. Brian Wilson-Akkordfolgen, Brian Wilson-Harmonien, Brian Wilson-Melodie. Nichts Originäres dabei, aber trotzdem schön. Sommer, Sonne, Capri-Eis und sehr viel Meer am Sand. Hoffentlich. 4 Sterne