Die Türen über George Clinton

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll: Bei der spitzenmäßigen Dr.Frankenstein-Cover-Persiflage? Bei der wahnsinnig kompakten, großartigen, zukunftsträchtigen Musik? Oder beim brillanten Sprachwitz des Parliament-Masterminds George Clinton? Ich denke, ich fange am besten bei einer Band namens „Digital Underground“ an: Sie waren damals eine extrem bizarre HipHop-Gruppe. Ich hatte damals ihr Album SEX PACKETS geschenkt bekommen und konnte mich beim Lesen der Album- credits nur noch wundern: „Die haben ja nur Stücke von einer Band namens Parliament gesampelt.“ Ich bin damals eine Woche nach Heidelberg gefahren, mit einem Freund zu seinem Bruder. Und dann sind wir nach Mannheim mit der Bahn, in einen gut sortierten CD-Discounter. Er hat sich DAMALS HINTERM MOND von Element of Crime, ich mir CLONES OF DR. FUNKENSTEIN von Parliament gekauft. Wir haben in Heidelberg nur noch diese beiden Platten gehört. Diese Woche war damals der für mich noch heute gültige Beweis, dass beides in einem Raum funktionieren kann: Also Funk und Indie-Folk-Rock. Wenn man sich heute die R’n’B- und HipHop-Welt anschaut, kann man schon behaupten, dass Parliament die Vorboten der modernen afroamerikanischen Musik sind. Ihr verschleppter Beat ist HipHop. Ihre Art Chöre zu arrangieren ist R’n’B. Die Dr.Dres und Timbalands dieser Welt haben ihnen viel zu verdanken.Zum Sprachwitz: Der große Kulturwissenschaftler Kodwun Eshun hat einmal in seinem tollen Buch „Heller als die Sonne“ geschrieben: „You don’t need Heidegger, because George Clinton is already theoretical“, und Ramin Bijan (Die Türen) hat mal gesagt: „So wie George Clinton das Wort ‚Funk‘ benutzt, das erinnert mich an die Welt der Schlümpfe – alles wird verschlumpft, bzw. verfunkt!“. Für alle Nicht-Philosophen: Heidegger war ein deutscher Philosoph, der sich an dem Begriff des „Seins“ abgearbeitet hat. Bei George Clinton ist das eben der „Funk“, und immer wenn ihm eine Vokabel fehlt, dann lässt er es einfach „funken“. Und wenn ein Wort mal auf dem Index steht, dann ist das auch „Funken“. Und wenn die Musik richtig super läuft: Dann „funkts“.Ich tauchte dann später mit viel Funk in das P-Funk-Universum ab – so der Überbegriff der George Clinton-Bands: Funkadelic, Brides of Funkenstein, Bootsys Rubberband usw. Bis heute zählen die P-Funk-Konzerte zu den tollsten Livekonzerten auf denen ich je war. Wo sieht man schon sonst 20-30 Menschen gleichzeitig auf der Bühne Musik machen? Wer sich übrigens das Cover der

aktuellen Türen-CD

und die der Dr.Funkenstein-Platte genauer anschaut, der wird feststellen, das wir das Türen-Logo an das Parliament-Logo angelehnt haben. Es ist ein Zeichen des unendlichen Danks und des Respekts. Denn ohne Parliament wären die Türen vielleicht eine langweilige Deutschrockband geworden. Oder sonst was. George Clinton und P-Funk haben mir damals gezeigt, dass man sich mit einer Band, vor allem auch sprachlich, dahin bewegen kann, wo immer man sich hinbewegen will – und dass im Absurden oft einfach ein „noch zu definierender Bereich“ liegt.Mein alter Freund ist heute übrigens großer „Tom Waits„-Fan. Im Jim Jarmusch-Film „Coffee & Cigarettes“ tauchen übrigens beide im Soundtrack auf : P-Funk und Waitsblues. Es ist alles eben doch nur ein Film mit unendlich vielen Episoden: Gleichzeitig oder hintereinander weg. Maurice Summen ist Sänger der Berliner Band

Die Türen

, die zuletzt das Album POPO veröffentlicht hat und derzeit

auf Tour

ist.

Maurice Summen – 21.02.2008

Die Türen gibt es bei