Earl Zinger – Put Your Phazers On Stun Throw Your Health Food Skyward :: Die Platte des Monats

Krzzzzzl Man halte sich an den nächstgelegenen Boxentürmen fest und schieße seinen Verstand für die Spieldauer eines Albums auf den Mars. Willkommen im Earl-Zinger-Club! Wenn nur die Hälfte der dem Künstler zugeschriebenen Anekdötchen, Erfindungen und Bekanntschaften wahr wäre, muss dieser Earl Zinger ein wahres Monster sein, ein leibhaftiger Zombie. Schnulzensänger soll er in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts gewesen sein, Keyboarder bei Herrn Dylan höchstselbst und Freund von Reggae-Legende Bob Marley. Von dort wird Zinger über Malcolm McLaren,Tom Waits und die Meters zu A Tribe Called Quest weitergereicht und landet schließlich eines schönen Nächtleins in der Warehouse-Party-Szene Londons. Ja, dass er nicht auch schon im Streichel-Zoo von Michael Jackson in Santa Barbara übernachtet hat, fehlt noch in dieser ausgesprochenen Top-Biografie. Fest steht, der Mann hat bewusstseinserweiterndes Gras gefressen und jetzt ein Album mit achtzehn Songs gemacht, das den Slogan „The Freshest Sounds Around“ im Untertitel nicht ganz zu Unrecht trägt. Dass der Pop das größte Illusionstheater vor dem Herrn ist, wird in Zeiten allgemeiner Miesmuffeligkeit immer wieder gerne mal vergessen. Wenn der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer Pop schon zum „Grundgeräusch“ der Gesellschaft erklären darf, ist herzhaftes Spektakel oberste Bürgerpflicht. Vorausgesetzt man beherrscht es. Was man von Earl Zinger durchaus behaupten kann. Er kommt auf PUT YOUR PHAZERS ON STUN THROW YOUR HEALTH FOOD SKYWARD mit wunderbaren und wunderbar kruden Ideen und Identitäten im Minutentakt. Da wird Pop zur hoffnungslosen, kindischen Liebeserklärung,“yeah yeah!“Er schnarrt uns ein „Ringa Dinga Zinga“, mit seinen Reggae-Tunes lässt er die Gorillaz links liegen. „Learning To Fly“ klingt wie ein durch die Pfütze gezogener Evergreen, und „Escape From Ibiza“ ist eine schmissige Vaudeville-Jazz-Nummer mit einem Häufchen Elend von Stimme.

Ja, die Welt ist schlecht, wo die Sonne scheint, das wussten schon die Punks. Außer dem Ehrenpunk und Posträuber Ronald Biggs, der einige UV-Strahlenintensive Jahre in Brasilien verlebt hat. Es würde einen kaum wundern, wenn Biggs oder ein paar andere große Ganoven auf PUT YOUR PHAZERS ON STUN THROW YOUR HEALTH FOOD SKYWARD plötzlich auftauchen würden. Es ist ein Irrsinns-Parcours, den Earl Zinger da mit der Grandezza eines Zeitreisenden absolviert: Lounge-Pop-HipHop-Spoken-Word-Greats, hier ein Crooner, dort ein Keyboard-Whirlwind, mon dieu. Mehr geht auf einer Platte kaum. Aus dem schwarzen Loch der Pop-Geschichte frisch auf den Frühstückstisch.

Es kaum vorstellbar, wie die Ideen für dieses Album zustande gekommen sind. Vielleicht hatte Giles Peterson, mit dem Earl Zinger in den neunziger Jahren immer wieder mal gesehen wurde, seine kreativen Finger im Spiel? Wir nehmen die Fährte auf und landen im Booklet des Galliano-Albums A JOYFUL NOISE UNTO THE CREATOR aus dem Jahr 1992: Eben dort zeigt das Bandfoto einen bekanntermaßen bemützten Akteur, der im Bildtext als „Earl Zinger“ bezeichnet wird. Bei genauerem Hinsehen spricht einiges dafür: Earl Zinger ist Rob Gallagher alias Galliano, der auf dem Londoner Talkin‘ Loud-Label – lang lang ist’s her – den Jazz mal eben neu erfunden hatte. Um eine Neuerfindung der Popmusik geht es Rob Gallagher auch als Earl Zinger. Wir übernehmen aber keinerlei Garantie, außer der, dass dieses Album voller bester Unterhaltungsmusik ist. Vielleicht nämlich lebt Earl Zinger auch schon gar nicht mehr, und es war der Chauffeur von Bob Dylan, der mit der Bombenidee für PUT YOUR PHAZERS ON STUN THROW YOUR HEALTH FOOD SKYWARD vom Ibizaurlaub heimgekehrt ist und sofort ein Studio aufgesucht hat. Warum auch nicht? Schon ganz andere Menschen haben im fortgeschrittenen Alter ihre ersten Platten veröffentlicht. Tzzzzz!

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