Einstürzende Neubauten
Kalte Sterne – Early Recordings
Experimente: Kopfschmerztablette immer parat halten! Ein Blick zurück in die Zeit der musizierenden Fensterscheiben, Bohrer und Waschmaschinen.
Blixa Bargeld hat eine lange Karriere hinter sich. Selbst in der Kurzversion füllt die Liste mit den unzähligen Projekten des Berliners mehrere Seiten. Den erfolgreichsten Nebenjob als Gitarrist bei den Bad Seeds hat er jedoch im letzten Jahr gekündigt: vorgeblich, um sich fortan wieder mehr den Einstürzenden Neubauten zu widmen. Zu diesem selbst verordneten Auftrag gehört wohl auch ein Rückblick in die Frühphase der Band, kalte sterne, von Bargeld selbst zusammengestellt, vereint all jene Songs, die noch vor dem Debütalbum kollaps entstanden sind. Einige davon wie der Titeltrack oder „Schwarz“ von der gleichnamigen i98ier-EP finden sich bereits auf der Compilation strategies against architecture ¿ao-‚Bs. Den Rest suchen Fans bis heute zum Teil vergebens. Die Bohr-Orgie „13 Löcher“, „Thirsty Animal“/“Durstiges Tier oder „Zuckendes Fleisch vermitteln einen guten Eindruck, wie ein Neubauten-Auftritt damals ausgesehen haben muss. Blixa fegte wie ein aufgezogenes Matchbox-Auto über die Bühne, plärrte das Publikum an und haute mit den Kollegen auf allem herum, was Krach machte. Dass das Publikum den verkopften Eskapaden der Band nicht immer folgen konnte, erscheint nachvollziehbar. Die Cordhosenfraktion wippte interessiert mit und suchte inmitten von Blechkanistern und Stakkato-Krach verzweifelt nach einem tieferen Sinn. Die erste Single „Für den Untergang“, ein überraschend grooviges Stück postdadaistischer Seifmade-Avantgarde, wurde der Legende nach unter einer Autobahnbrücke aufgenommen. Bargeld und N. U. Unruh kraxelten halb nackt in einen Hohlraum, wo sie eine Waschmaschine und ein Stahlschlagzeug traktierten. Jugendliche Energie pur. Was die Band auf den 13 Tracks tatsächlich trieb, enthüllt das hübsch gestaltete Booklet. Jedes vibrierende Holzbrett, jedes splitternde Festerglas ist darin vermerkt. Selbst Nicht-Fans erhalten durch die Compilation ein paar Nachhilfestunden in Musikgeschichte – und dürfen quasi-historischen Aufnahmen lauschen.