Emmylou Harris :: Damenhafter Folkrock

Gestandene Herren starren verzückt ins Licht, manche zittern gar am ganzen Leib – die wunderschöne Lady auf der Bühne tut ihre Wirkung. Trotz sperriger Klampfe vor dem Bauch: Die 51-Jährige bewegt sich erstaunlich jugendlich, stampft im Rhythmus, wippt mit dem grazilen Körper, lässt die graue Mähne fliegen. Und wenn Emmylou mit nicht von dieser Welt scheinendem Timbre „Love Hurts“ verkündet, sieht man gar Gram Parsons, in abgelatschten Cowboystiefeln auf seiner Wolke über der bayerischen Landeshauptstadt hockend, selig lächeln – mit einer Träne der Rührung im Knopfloch. Für die versammelten Freunde melancholischer Gitarrenpoesie, die Songsüchtigen und Roots-Romantiker ist Emmylou Harris eine Art Madonna des Americana-Movements.

Der Circus Krone ist bestuhlt, das Bühnenbild karg, auffällig allenfalls eine prächtige Kollektion von Gitarren. Deren Besitzer Buddy Miller ist das Herz von Spyboy und überdies vorzüglicher Songwriter in eigener Sache. Zusammen mit den Compadres Brady Blade (dr) und Daryl Johnson (bg) legt er den kunstvoll geknüpften musikalischen Teppich. Das Material des neuen Emmylou-Albums „Red Dirt Girl“ wirkt so, reduziert auf das knackige Zwei-Gitarren + Rhythmusgruppe-Lineup, erheblich kompakter, weit weniger ätherisch. Wer im hier verabreichten perkussiven Folkrock noch Spurenelemente von Nashville sucht, muss schon verdammt genau hinhören.

Gute zwei Stunden dauert die Reise. Das – man darf es sagen – altersweise „Red Dirt Girl“-Material wird aufgelockert durch gelegentlich eingestreute Klassiker. So treffen wir alte Freunde, etwa Townes, dessen „Pancho & Lefty“ Emmylou einst den Weg zum Rockpublikum ebnete. Oder, wie gesagt, Gram und sein „Hickory Wind“. Ebenfalls präsent natürlich auch Rodney Crowell mit seiner Chuck Berry-Referenz „I Ain’t Living Long Like This“ sowie Paul Kennerley, dessen „Born To Run“ zur veritablen Rockabilly-Party gerät. Nicht wenige der real anwesenden Herren sieht man später entrückten Blickes zum Parkplatz schweben, mit Ausnahme der Autogrammjäger, die geduldig auf eine Wiederkehr der Sängerin warten. Die jedoch bleibt verschwunden. www.emmylou.net