Experimentalmusik

Der Wahlmünchner Rablh Abou-Khalll (Flöte, Oud, Glockenspiel) schlägt auf seiner Eigenproduktion (Jazz by Post) zwei Stimmungskapitel auf: Michael Armann (Piano), Jonathan Brock (Perc.) und Shankar Lal (Tabla) lassen sich einerseits zu einer gelösten, aufgelockerten Session über lyrische Themen aus und schließen sich Vorgängern wie Paul Hörn, Mayer-Harriot Double Quintett, Adjenar Sidhar-Khan, Dave Liebman und anderen „West meets Easf‘-Fusions an Das Requiem „Bitter Harvest“ andererseits reflektiert das Bürgerkriegs-Chaos im Nahost-Zankapfel Libanon. Mysteriöses Gong-Gleißen, steogrammatisch vom quasiinstrumentalen Gruppenchor angestimmter Klagegesang bilden die Ouvertüre zu schleppenden, getragenen Improvisationen, im Mittelteil von einer Zäsur gesprengt: Unheimlich aufflackernde Stimmen breiten sich durch Klavier- und Percussions-Granateinschläge zur Feuerwalze aus, bis resignatives Glokkenspiel und melancholische Arabesken der orientalischen Laute Oud die verbrannte Erde als „bittere Ernte“ beklagen. (5) Für den frühen Morgen und den späten Abend sind die indischen Ragas des Trios Nandu Muley (Santoor), Anlndo Chatterjee (Tabla) und Thomas Beckman (Tanpura) bestimmt. Diese zeitlosen traditionellen Formen der Versenkung entziehen sich jeder Wertung. (Bezug über: Lange, Marienburg 2, 4400 Münster).

Vangelis zelebriert sein Programm SOIL FESTIVITIES (Poiydor) auf dem Boden minimalgeknüpfter Klangteppiche. Verführerische Sirenenspiele demaskieren ihren Sphinx-Charakter und ziehen zwei Gesichter auf: schwüle Harmonien als Ausfluß brütender Sommerhitze, die sich in heftigen Wärmegewittern entladen – und unheilschwanger um sich greifender Percussions-Spuk.(4) Cellisten müssen für Kammerorchester-Projekte der Münchner Avantgarde -Label ECM und Enja seit jeher Schwerstarbeit verrichten – so bei Eberhard Weber, Keith Jarrett, Terje Rypdal und Herbert Joos im festen Verband mit Bratschen und Kontrabässen und im losen Kontakt zu spartanischen Violinen.

Darüber hinaus verlängern Solo-Cellisten die Liste neuer Kammermusik: Dave Holland, David Darling, Barr e Philipps, der das Fabrikat Piccolo-Baß verwendet.

ECM hat dieser rein konzertanten Entwicklung, die sich neben def konzertanten Jazz-Schiene herauskristallisiert hat, Rechnung getragen – und wir feiern mit der Einspielung TABULA RASA des Esten Arvo Part die Geburtsstunde des Sublabels „New Series“.

Die Spiritualität der russisch-orthodoxen Liturgie inhaliert die Harmonik von Arvo Part, der aus Dreiklängen und primitiver Tonalität eine Glocken-Mystik ableitet. „Cantus“, eine Widmung an Benjamin Britten, spürt den Mythos der legendären Gestalt der Ostkirche, den Sänger Romanos, auf: Ein dionysisch zupackender Klagegesang der tiefen Streicher steht als auswegloser, massiver Block im Raum, aus dessen Tiefe liturgische Glokken-Zeremonien eingestreut erscheinen. Kritiker Wolfgang Sandner schreibt dazu: „Eine mystische Grenzerfahrung. „

Der getragene Melos der tiefen Streicher und zentrale Schlagwerkfiguren dominieren auch die langsamen Sinfonie-Sätze von Gustav Mahler, Franz Schmidt, Dimitri Schostakovich, die Metamorphosen von Richard Strauß. „Fratres 1“ für Gidon Kremer (Geige) und Keith Jarret (Piano), „Fratres 2“ für die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker und „Tabula Rasa“, live aufgeführt von Gidon Kremer, T. Grider.ko (Geigen), Alfred Schnittke (Prepared Piano) und dem litauischen Kammerorchester ist ein Variationszyklus. (6)