Die Fehlfarben überzeugen mit vitalem Indie-Rock.

Das Beste kommt zum Schluss. Fast zehn Minuten dauert das epische Finale „Herbstlied“, das auf einer Idee von Fehlfarben-Keyboarder Frank Fenstermacher basiert und von dem noch recht jungen, in der Schweiz erfundenen Blechinstrument  namens Hang geprägt wird. Der sehr nachdenkliche Song fällt aus dem Rahmen und das nicht als Einziger. Fehlfarben haben sich breiter aufgestellt, und so flirtet die Gruppe in einem Stück wie „Hygiene­porzellan“ auch mit Discobeats. Den größten Teil nimmt aber weiterhin der Rock ein, der von den Synthie-Sounds von Pyrolator unterfüttert wird. Da hat Produzent Moses Schneider in den fünf Aufnahmetagen im Hansa Studio in Berlin ganze Arbeit geleis­tet und alle verborgenen Reserven aus dem Sextett gekitzelt. Wie schon beim Vorgänger Glücksmaschinen strotzen die Songs vor Kraft, Dynamik und Bums, aber die Texte sprechen nun häufiger eine andere Sprache. Fehlfarben, eine der stilprägenden Bands des nichtkommerziellen Zweigs der  Neuen Deutschen Welle und des Punk, gehören bis auf Trommlerin Saskia von Klitzing mittlerweile zur Generation Ü 50. Und da kann man schon mal seufzen, anstatt Galle zu spucken. Genau dafür ist Sänger Peter Hein, der das Gros der Texte schreibt, ja bekannt. Seinen Biss hat er nicht verloren, da bekommen religiös Verblendete in „Glauberei“ und Politik- und Finanzhasardeure in „ Bundesagentur“ Breitseiten verpasst. Aber Hein zeigt sich auch von einer persönlichen, verletzlichen Seite. In „Richtig in falsch“ sucht er die alten Feindbilder und stellt fest: „war selber Feind, hab Freunde ausgesaugt … der Klassenfeind, mein bester Freund …“ Oder in „TCM“ (steht eigentlich für „Traditionelle chinesische Medizin“, hier steht aber das C für chemisch), da geht es um körperliches Gebrechen, Medikamente und das Problem mit dem Alkoholgenuss. Einmal allerdings greift Peter Hein voll in die Kloschüssel, in „The Flag Drops“. Da singt er doch tatsächlich in englischer Sprache, und dieses erstmalige Experiment geht fürchterlich daneben. Wie meinte Bandkollege Fenster­macher dazu. „ Da wollte er wohl eine Klippe nehmen …“ So viel Kritik sei erlaubt: Er ist daran zerschellt. Aber ansonsten geht es Fehlfarben hörbar gut. Key Tracks: „Herbstwind“, „Dekade 2“, „ Hygieneporzellan“